home *** CD-ROM | disk | FTP | other *** search
Text File | 1996-09-18 | 109.8 KB | 2,195 lines |
- Das Buch Hiob.
-
- \1\
- Gerechtigkeit des Hiob, sein Wohlstand und seine Sorge um die
- Gottesfurcht seiner Kinder.
-
- $1$ Es war ein Mann im Lande Uz, sein Name war Hiob. Und
- dieser Mann war rechtschaffen und redlich und gottesfürchtig und
- mied das Böse. $2$ Ihm wurden sieben Söhne und drei Töchter
- geboren. $3$ Und sein Besitz bestand aus siebentausend Schafen
- und dreitausend Kamelen und fünfhundert Gespannen Rinder und
- fünfhundert Eselinnen, und [sein] Gesinde war sehr zahlreich, so
- daβ dieser Mann gröβer war als alle Söhne des Ostens.
-
- $4$ Nun pflegten seine Söhne hinzugehen und Gastmahl zu halten
- - der Reihe nach im Haus eines jeden. [Dazu] sandten sie hin und
- luden ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu
- trinken. $5$ Und es geschah, wenn die Tage des Gastmahls
- reihumgegangen waren, da sandte Hiob hin und heiligte sie: Früh
- am Morgen stand er auf und opferte Brandopfer nach ihrer aller
- Zahl. Denn Hiob sagte [sich]: Vielleicht haben meine Söhne
- gesündigt und in ihrem Herzen Gott geflucht. So machte es Hiob
- all die Tage [nach den Gastmählern].
-
- \1\
- Vorsprache des Satan bei Gott - Hiobs Bewährung nach Verlust von
- Vieh, Knechten, Söhnen und Töchtern.
-
- $6$ Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes, um
- sich vor dem HERRN einzufinden. Und auch der Satan kam in ihrer
- Mitte. $7$ Und der HERR sprach zum Satan: Woher kommst du? Und
- der Satan antwortete dem HERRN und sagte: Vom Durchstreifen der
- Erde und vom Umherwandern auf ihr. $8$ Und der HERR sprach zum
- Satan: Hast du acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es gibt
- keinen wie ihn auf Erden - ein Mann, so rechtschaffen und
- redlich, der Gott fürchtet und das Böse meidet! $9$ Und der
- Satan antwortete dem HERRN und sagte: Ist Hiob [etwa] umsonst so
- gottesfürchtig? $10$ Hast du selbst nicht ihn und sein Haus
- und alles, was er hat, rings umhegt? Das Werk seiner Hände hast
- du gesegnet, und sein Besitz hat sich im Land ausgebreitet.
- $11$ Strecke jedoch nur einmal deine Hand aus und taste alles
- an, was er hat, ob er dir nicht ins Angesicht flucht! $12$ Da
- sprach der HERR zum Satan: Siehe, alles, was er hat, ist in
- deiner Hand. Nur gegen ihn [selbst] strecke deine Hand nicht
- aus! Und der Satan ging vom Angesicht des HERRN fort.
-
- $13$ Und es geschah eines Tages, als seine Söhne und seine
- Töchter im Haus ihres erstgeborenen Bruders aβen und Wein
- tranken, $14$ da kam ein Bote zu Hiob und sagte: Die Rinder
- waren gerade beim Pflügen, und die Eselinnen weideten neben
- ihnen, $15$ da fielen Sabäer ein und nahmen sie weg und die
- Knechte erschlugen sie mit der Schärfe des Schwertes. Ich aber
- bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten. $16$
- Noch redete der, da kam ein anderer und sagte: Feuer Gottes fiel
- vom Himmel, brannte unter den Schafen und den Knechten und
- verzehrte sie. Ich aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir
- zu berichten. $17$ Noch redete der, da kam ein anderer und
- sagte: [Die] Chaldäer hatten drei Abteilungen aufgestellt und
- sind über die Kamele hergefallen und haben sie weggenommen, und
- die Knechte haben sie mit der Schärfe des Schwertes erschlagen.
- Ich aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten.
- $18$ Während der [noch] redete, da kam ein anderer und sagte:
- Deine Söhne und deine Töchter aβen und tranken Wein im Haus
- ihres erstgeborenen Bruders. $19$ Und siehe, ein starker Wind
- kam von jenseits der Wüste her und stieβ an die vier Ecken des
- Hauses. Da fiel es auf die jungen Leute, und sie starben. Ich
- aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten. -
- $20$ Da stand Hiob auf und zerriβ sein Obergewand und schor
- sein Haupt; und er fiel auf die Erde und betete an. $21$ Und
- er sagte: Nackt bin ich aus meiner Mutter Leib gekommen, und
- nackt kehre ich dahin zurück. Der HERR hat gegeben, und der HERR
- hat genommen, der Name des HERRN sei gepriesen! $22$ Bei
- alldem sündigte Hiob nicht und legte Gott nichts Anstöβiges zur
- Last.
-
- \2\
- Vorsprache Satans bei Gott - Hiobs Bewährung nach Verlust der
- Gesundheit.
-
- $1$ Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes, um
- sich vor dem HERRN einzufinden. Und auch der Satan kam in ihrer
- Mitte, um sich vor dem HERRN einzufinden. $2$ Und der HERR
- sprach zum Satan: Von woher kommst du? Und der Satan antwortete
- dem HERRN und sagte: Vom Durchstreifen der Erde und vom
- Umherwandern auf ihr. $3$ Und der HERR sprach zum Satan: Hast
- du acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es gibt keinen wie
- ihn auf Erden, - ein Mann, so rechtschaffen und redlich, der
- Gott fürchtet und das Böse meidet! Und noch hält er fest an
- seiner Rechtschaffenheit. Und dabei hattest du mich gegen ihn
- aufgereizt, ihn ohne Grund zu verschlingen. $4$ Da antwortete
- der Satan dem HERRN und sagte: Haut für Haut! Alles, was der
- Mensch hat, gibt er für sein Leben. $5$ Strecke jedoch nur
- einmal deine Hand aus und taste sein Gebein und sein Fleisch an,
- ob er dir nicht ins Angesicht flucht! $6$ Da sprach der HERR
- zum Satan: Siehe, er ist in deiner Hand. Nur schone sein Leben!
- $7$ Und der Satan ging vom Angesicht des HERRN fort und schlug
- Hiob mit bösen Geschwüren, von seiner Fuβsohle bis zu seinem
- Scheitel. $8$ Und er nahm eine Tonscherbe, um sich damit zu
- schaben, während er mitten in der Asche saβ. $9$ Da sagte
- seine Frau zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Vollkommenheit?
- Fluche Gott und stirb! $10$ Er aber sagte zu ihr: Wie eine der
- Törinnen redet, so redest auch du. Das Gute nehmen wir von Gott
- an, da sollten wir das Böse nicht auch annehmen? Bei alldem
- sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen.
-
- \2\
- Besuch der Freunde bei Hiob.
-
- $11$ Es hatten nun die drei Freunde Hiobs von all diesem
- Unglück gehört, das über ihn gekommen war. Da kamen sie, jeder
- aus seinem Ort: Elifas, der Temaniter, und Bildad, der
- Schuchiter, und Zofar, der Naamatiter. Und sie verabredeten sich
- miteinander hinzugehen, um ihm ihre Teilnahme zu bekunden und
- ihn zu trösten. $12$ Als sie aber von fern ihre Augen erhoben,
- erkannten sie ihn nicht [mehr]. Da erhoben sie ihre Stimme und
- weinten, und sie zerrissen ein jeder sein Obergewand und
- streuten Staub himmelwärts auf ihre Häupter. $13$ Und sie
- saβen bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte lang.
- Und keiner redete ein Wort zu ihm, denn sie sahen, daβ der
- Schmerz sehr groβ war.
-
- \3\
- Hiobs verzweifelte Klage.
-
- $1$ Danach öffnete Hiob seinen Mund und verfluchte seinen Tag.
- $2$ Und Hiob begann und sagte: $3$ Vergehen soll der Tag, an
- dem ich geboren wurde, und die Nacht, die sprach: Ein Junge
- wurde empfangen! $4$ Dieser Tag sei Finsternis! Gott in der
- Höhe soll nicht nach ihm fragen, und kein Licht soll über ihm
- glänzen! $5$ Dunkel und Finsternis sollen ihn für sich
- fordern, Regenwolken sollen sich über ihm lagern,
- Verfinsterungen des Tages ihn erschrecken! $6$ Diese Nacht -
- Dunkelheit ergreife sie! Sie freue sich nicht unter den Tagen
- des Jahres, in die Zahl der Monate komme sie nicht! $7$ Siehe,
- diese Nacht sei unfruchtbar, kein Jubel soll in sie
- hineinkommen! $8$ Es sollen sie die verwünschen, die den Tag
- verfluchen, die fähig sind, den Leviatan zu reizen! $9$
- Verfinstert seien die Sterne ihrer Dämmerung; sie hoffe auf
- Licht, und da sei keines; und sie schaue nicht die Wimpern der
- Morgenröte! $10$ Denn sie hat die Pforte meines Mutterschoβes
- nicht verschlossen und Unheil nicht vor meinen Augen verborgen.
- $11$ Warum starb ich nicht von Mutterleib an, verschied ich
- nicht, als ich aus dem Schoβ hervorkam? $12$ Weshalb kamen
- Knie mir entgegen und wozu Brüste, daβ ich sog?
-
- $13$ Denn dann läge ich [jetzt] da und wäre still. Ich
- schliefe - dann hätte ich Ruhe - $14$ mit Königen und
- Ratgebern der Erde, die sich Trümmerstätten erbauten, $15$
- oder mit Obersten, die Gold hatten, die ihre Häuser mit Silber
- füllten. $16$ Oder wie eine verscharrte Fehlgeburt wäre ich
- nicht da, wie Kinder, die das Licht nie erblickt haben. $17$
- Dort lassen die Gottlosen ab vom Toben, und dort ruhen die,
- deren Kraft erschöpft ist. $18$ Sorglos sind [dort] die
- Gefangenen allesamt, sie hören nicht mehr die Stimme des
- Treibers. $19$ Klein und Groβ sind dort gleich, und der Knecht
- ist frei von seinem Herrn.
-
- $20$ Warum gibt er dem Mühseligen Licht und Leben den
- Verbitterten $21$ - [denen], die auf den Tod warten, und er
- ist nicht da, und die nach ihm graben mehr als nach verborgenen
- Schätzen, $22$ die sich bis zum Jubel freuen würden, Wonne
- hätten, wenn sie das Grab fänden -, $23$ dem Mann, dem sein
- Weg verborgen ist und den Gott von allen Seiten eingeschlossen
- hat? $24$ Denn [noch] vor meinem Brot kommt mein Seufzen, und
- wie Wasser ergieβt sich mein Schreien. $25$ Denn ich fürchtete
- einen Schrecken, und er traf mich, und wovor mir bangte, das kam
- über mich. $26$ Ich hatte [noch] keine Ruhe und hatte [noch]
- keinen Frieden, und ich konnte [noch] nicht ausruhen - da kam
- ein Toben.
-
- \4\
- Erste Rede des Elifas: Kein Leiden ohne Schuld - Kein
- Schuldloser vor Gott.
-
- $1$ Und Elifas von Teman antwortete und sagte:
-
- $2$ Wenn man ein Wort an dich versucht, wird es dich ermüden?
- Aber Worte zurückhalten, wer könnte das? $3$ Siehe, du hast
- viele zurechtgebracht, und ermattete Hände hast du gestärkt.
- $4$ Den Stürzenden richteten deine Worte auf, und wankende
- Knie hast du stark gemacht. $5$ Doch nun kommt es an dich, und
- es ermüdet dich; es trifft dich, und du bist bestürzt. $6$ Ist
- nicht deine [Gottes]furcht deine Zuversicht, die Vollkommenheit
- deiner Wege deine Hoffnung? $7$ Bedenke doch: Wer ist [je] als
- Unschuldiger umgekommen, und wo sind Rechtschaffene vertilgt
- worden? $8$ So wie ich es gesehen habe: Die Unheil pflügen und
- Mühsal säen, die ernten es. $9$ Vom Odem Gottes kommen sie um,
- und vom Hauch seiner Nase vergehen sie. $10$ Das Brüllen des
- Löwen und die Stimme des Junglöwen [sind verstummt], und die
- Zähne der jungen Löwen sind ausgebrochen. $11$ Der Löwe kommt
- um aus Mangel an Beute, und die Jungen der Löwin werden
- zerstreut.
-
- $12$ Ein Wort stahl sich zu mir, und mein Ohr vernahm ein
- Geflüster davon. $13$ In beunruhigenden Gedanken, [wie sie]
- aus Nachtgesichten [entstehen], wenn tiefer Schlaf auf Menschen
- fällt, $14$ kam Schrecken und Zittern über mich, und
- durchschauerte alle meine Gebeine. $15$ Und ein Hauch fuhr an
- meinem Gesicht vorbei, das Haar an meinem Leib sträubte sich.
- $16$ Da stand jemand, und ich erkannte sein Aussehen nicht,
- eine Gestalt war vor meinen Augen, ein leises Wehen und eine
- Stimme hörte ich:
-
- $17$ Sollte ein Mensch gerechter sein als Gott oder ein Mann
- reiner als sein Schöpfer? $18$ Siehe, [selbst] seinen Knechten
- vertraut er nicht, und seinen Engeln legt er Irrtum zur Last:
- $19$ wieviel mehr denen, die in Lehmhäusern wohnen [und] deren
- Grund im Staub ist! Wie Motten werden sie zertreten. $20$ Vom
- Morgen bis zum Abend werden sie zerschmettert. Ohne einen Namen
- kommen sie um auf ewig. $21$ Nicht wahr? Wird ihr Zeltstrick
- an ihnen losgerissen, so sterben sie, und [zwar] nicht in
- Weisheit.
-
- \5\
- Warnung vor Unmut - Empfehlung von Demut und Beugung vor Gott.
-
- $1$ Ruf doch, ob da einer ist, der dir antwortet! Und an wen
- von den Heiligen willst du dich wenden? $2$ Denn den Toren
- bringt der Gram um, und den Einfältigen tötet der Eifer. $3$
- Ich, ich sah einen Narren Wurzel schlagen, und sogleich
- verwünschte ich seine Wohnung. $4$ Fern vom Heil bleiben seine
- Kinder, und sie werden im Tor zertreten, und kein Retter ist da.
- $5$ Seine Ernte verzehrt der Hungrige, und selbst aus den
- Dornhecken holt er sie weg; und nach ihrem Vermögen schnappen
- Durstige. $6$ Denn nicht kommt aus dem Staub Unheil hervor,
- und aus der Erde sproβt nicht Mühsal; $7$ sondern der Mensch
- ist zur Mühsal geboren, wie die Funken nach oben fliegen.
-
- $8$ Ich jedoch würde Gott suchen und meine Sache vor Gott
- darlegen, $9$ der Groβes und Unerforschliches tut, Wunder bis
- zur Unzahl, $10$ der Regen gibt auf die Fläche der Erde und
- Wasser sendet auf die Fläche des Feldes, $11$ um Niedrige in
- die Höhe zu bringen; und Trauernde gewinnen hohes Glück. $12$
- Er vereitelt die Anschläge der Klugen, und ihre Hände wirken
- keinen Erfolg. $13$ Er fängt die Weisen in ihrer Klugheit, und
- der Rat der Hinterlistigen überstürzt sich. $14$ Am Tag stoβen
- sie auf Finsternis, und am Mittag tasten sie umher wie in der
- Nacht. $15$ Und er rettet vor dem Schwert, vor ihrem Mund und
- vor der Hand des Starken den Armen. $16$ So wird dem Geringen
- Hoffnung, und die Schlechtigkeit schlieβt ihren Mund.
-
- $17$ Siehe, glücklich ist der Mensch, den Gott zurechtweist!
- So verwirf [denn] nicht die Züchtigung des Allmächtigen! $18$
- Denn er bereitet Schmerz und verbindet, er zerschlägt, und seine
- Hände heilen. $19$ In sechs Nöten wird er dich retten, und in
- sieben wird dich nichts Böses antasten. $20$ In Hungersnot
- kauft er dich los vom Tod und im Krieg von der Gewalt des
- Schwertes. $21$ Vor der Geiβel der Zunge wirst du geborgen
- sein, und du wirst dich nicht fürchten vor der Verwüstung, wenn
- sie kommt. $22$ Über Verwüstung und Hunger wirst du lachen,
- und vor dem [Raub]wild der Erde wirst du dich nicht fürchten.
- $23$ Denn dein Bund wird mit den Steinen des Feldes sein, und
- das [Raub]wild des Feldes wird Frieden mit dir haben. $24$ Und
- du wirst erkennen, daβ dein Zelt in Frieden ist. Und schaust du
- nach deiner Wohnung, so wirst du nichts vermissen. $25$ Und du
- wirst erkennen, daβ deine Nachkommen zahlreich sein werden und
- deine Spröβlinge wie das Kraut der Erde. $26$ Du wirst in
- Rüstigkeit ins Grab kommen, wie die Garben eingebracht werden zu
- ihrer Zeit. $27$ Siehe, dies haben wir erforscht, so ist es.
- Höre es doch, und merke du es dir!
-
- Hiobs Antwort: Rechtfertigung seines Klagens mit der Schwere
- seines Leidens - Wunsch nach schnellem Tod - Klage über die
- Härte der Freunde.
-
- \6\
-
- $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
-
- $2$ Würde man meinen Kummer doch wiegen, abwiegen und mein
- Verderben gleichzeitig auf die Waage legen! $3$ Denn nun ist
- es schwerer als der Sand der Meere; darum sind meine Worte
- unbesonnen. $4$ Denn die Pfeile des Allmächtigen sind in mir,
- mein Geist trinkt ihr Gift; die Schrecken Gottes greifen mich
- an. $5$ Schreit ein Wildesel beim frischen Gras, oder brüllt
- ein Stier bei seinem Futter? $6$ Wird Fades ohne Salz
- gegessen? Oder ist Geschmack in dem Schleim um den Dotter? $7$
- Meine Seele weigert sich, es anzurühren, sie ekelt sich vor der
- Krankheit meines Brotes. $8$ O daβ sich doch meine Bitte
- erfüllte und Gott mein Verlangen gewährte! $9$ Daβ Gott sich
- dazu entschlösse, mich zu zertreten, daβ er seine Hand abzöge
- und mich vernichtete! $10$ So wäre noch mein Trost, und ich
- würde jubeln in schonungsloser Qual, daβ ich die Worte des
- Heiligen nicht verleugnet habe. $11$ Was ist meine Kraft, daβ
- ich warten, und was ist mein Ende, daβ ich mich gedulden sollte?
- $12$ Ist [denn] meine Kraft die Kraft von Steinen, oder ist
- mein Fleisch aus Bronze? $13$ Ist es nicht so, daβ keine
- [eigene] Hilfe in mir ist und [jedes] Gelingen aus mir
- vertrieben ist?
-
- $14$ Wer seinem Freund die Treue versagt, der verläβt die
- Furcht des Allmächtigen. $15$ Meine Brüder haben treulos
- gehandelt wie ein Wildbach, wie das Bett der Wildbäche, die
- vergehen. $16$ Sie sind trübe von Eis, der Schnee verläuft
- sich in sie. $17$ Zur Zeit, wenn sie wasserarm werden,
- versiegen sie. Wenn es heiβ wird, sind sie von ihrer Stelle
- weggetrocknet. $18$ Es werden Karawanen abgelenkt von ihrem
- Weg, ziehen hinauf in die Öde und kommen um. $19$ Die
- Karawanen von Tema hielten Ausschau, die Handelszüge von Saba
- hofften auf sie. $20$ Sie wurden beschämt, weil sie [auf sie]
- vertraut hatten, sie kamen hin und wurden zuschanden. $21$ So
- seid ihr jetzt für mich geworden. Ihr seht Schreckliches und
- fürchtet euch. $22$ Habe ich etwa gesagt: Gebt mir und macht
- mir ein Geschenk von eurem Vermögen $23$ und befreit mich aus
- der Hand des Bedrängers und erlöst mich aus der Hand der
- Gewalttätigen?
-
- $24$ Belehrt mich, so will ich schweigen! Und macht mir klar,
- worin ich geirrt habe! $25$ Wie könnten aufrichtige Worte
- kränkend sein! Aber was weist die Zurechtweisung von euch
- [schon] zurecht? $26$ Gedenkt ihr Worte zurechtzuweisen? Für
- den Wind sind ja die Reden eines Verzweifelnden! $27$ Sogar
- eine Waise würdet ihr verlosen, und um euren Freund würdet ihr
- feilschen. $28$ Und nun, entschlieβt euch! Wendet euch zu mir!
- Ich werde euch doch nicht ins Angesicht lügen. $29$ Kehrt doch
- um, damit kein Unrecht geschieht! Ja, kehrt um, noch bin ich
- hier im Recht! $30$ Ist etwa Unrecht auf meiner Zunge? Oder
- sollte mein Gaumen Verderben nicht spüren?
-
- \7\
- Klage über das menschliche Dasein, über sein Los und über Gottes
- Unbarmherzigkeit - Bitte an Gott um Schonung.
-
- $1$ Hat der Mensch nicht einen harten Dienst auf Erden, und
- sind seine Tage nicht wie die Tage eines Tagelöhners? $2$ Wie
- ein Knecht, der sich nach Schatten sehnt, und wie ein
- Tagelöhner, der auf seinen Lohn wartet, $3$ so habe ich
- gehaltlose Monate erhalten, und Nächte voll Unheil wurden mir
- zugeteilt. $4$ Wenn ich mich niederlegte, so sagte ich: Wann
- kann ich aufstehen? - Und der Abend zieht sich hin, und ich bin
- gesättigt mit Unrast bis zur Morgendämmerung. $5$ Mein Fleisch
- ist bekleidet mit Maden und Schorf, meine Haut [ist kaum]
- verharscht und eitert [schon wieder]. $6$ Meine Tage gleiten
- schneller dahin als ein Weberschiffchen und schwinden ohne
- Hoffnung.
-
- $7$ Bedenke, daβ mein Leben ein Hauch ist! Mein Auge wird kein
- Glück mehr sehen. $8$ Das Auge dessen, der mich sehen will,
- wird mich nicht [mehr] gewahren. [Richtest du] deine Augen auf
- mich, so bin ich nicht [mehr]. $9$ Die Wolke schwindet und
- vergeht; so steigt, wer in den Scheol hinabfährt, nicht wieder
- herauf. $10$ Zu seinem Haus kehrt er nicht mehr zurück, und
- seine Stätte weiβ nichts mehr von ihm. $11$ So will auch ich
- meinen Mund nicht zurückhalten, will reden in der Bedrängnis
- meines Geistes, will klagen in der Verbitterung meiner Seele.
-
- $12$ Bin ich das Meer oder ein Seeungeheuer, daβ du eine Wache
- gegen mich aufstellst? $13$ Wenn ich sagte: Mein Bett soll
- mich trösten, mein Lager wird meinen Kummer tragen helfen! -
- $14$ so entmutigst du mich mit Träumen, und durch Gesichte
- schreckst du mich auf, $15$ so daβ meine Seele Erstickung
- vorzieht, den Tod [lieber hat] als meine Gebeine. $16$ Ich mag
- nicht mehr - nicht ewig will ich leben! Laβ ab von mir! Meine
- Tage sind nur noch ein Hauch. $17$ Was ist der Mensch, daβ du
- ihn groβ achtest und daβ du dein Herz auf ihn richtest $18$
- und ihn alle Morgen heimsuchst, ihn alle Augenblicke prüfst?
- $19$ Wie lange [noch] willst du nicht von mir wegblicken,
- nicht [einmal solange] von mir ablassen, bis ich meinen Speichel
- heruntergeschluckt habe? $20$ Habe ich gesündigt? Was tat ich
- dir an, du Wächter der Menschen? Warum hast du mich dir zur
- Zielscheibe gesetzt, und [warum] werde ich mir zur Last? $21$
- Warum vergibst du [mir] nicht mein Verbrechen und läβt meine
- Schuld [nicht] vorübergehen? Denn nun werde ich mich in den
- Staub legen, und suchst du nach mir, so bin ich nicht mehr.
-
- \8\
- Erste Rede des Bildad: Gottes Gerechtigkeit in Strafe und Güte -
- Untergang der Gottlosen - Segen durch Buβe.
-
- $1$ Und Bildad von Schuach antwortete und sagte:
-
- $2$ Wie lange willst du noch so [etwas] künden, und [wie
- lange] sollen die Worte deines Mundes heftiger Wind sein? $3$
- Wird Gott [etwa] das Recht beugen, oder wird der Allmächtige die
- Gerechtigkeit beugen? $4$ Haben deine Söhne gegen ihn
- gesündigt, so lieferte er sie ihrer Übertretung aus. $5$ Wenn
- du Gott eifrig suchst und zum Allmächtigen um Gnade flehst,
- $6$ wenn du lauter und aufrichtig bist, ja, dann wird er
- deinetwegen aufwachen und die Wohnung deiner Gerechtigkeit
- wiederherstellen. $7$ Und dein Anfang wird gering
- [erscheinen], aber dein Ende wird er sehr groβ machen. $8$
- Denn befrage doch die vorige Generation und habe acht auf das,
- was ihre Väter erforscht haben! - $9$ Denn wir sind von
- gestern und erkennen nichts, denn ein Schatten sind unsere Tage
- auf der Erde. - $10$ Werden diese dich nicht belehren, es dir
- sagen und Worte aus ihrem Herzen hervorbringen?
-
- $11$ Schieβt Schilfrohr auf, wo kein Sumpf ist? Wächst
- Riedgras empor ohne Wasser? $12$ Noch treibt es Knospen, noch
- ist es nicht zum Schneiden reif, da verdorrt es [schon] vor
- allem anderen Gras. $13$ So sind die Pfade aller, die Gott
- vergessen; und des Ruchlosen Hoffnung geht zugrunde. $14$
- Seine Zuversicht ist ein dünner Faden, und ein Spinngewebe ist
- das, worauf er vertraut. $15$ Er stützt sich auf sein Haus,
- aber es hält nicht stand; er hält sich daran fest, aber es
- bleibt nicht stehen. $16$ Voll Saft steht er in der Sonne, und
- seine Triebe ranken sich durch seinen Garten, $17$ über
- Steinhaufen schlingen sich seine Wurzeln, zwischen Steinen lebt
- er. $18$ Reiβt man ihn aus von seiner Stelle, so verleugnet
- sie ihn: Ich habe dich nie gesehen! $19$ Siehe, das ist die
- Freude seines Weges; und aus dem Staub sproβt ein anderer hervor
- .
-
- $20$ Siehe, Gott wird den Rechtschaffenen nicht verwerfen und
- die Übeltäter nicht an die Hand nehmen. $21$ Während er deinen
- Mund mit Lachen füllen wird und deine Lippen mit Jubel, $22$
- werden die, die dich hassen, mit Schande bekleidet werden, und
- das Zelt der Gottlosen wird nicht mehr sein.
-
- \9\
- Hiobs Antwort: Unmöglichkeit, bei Gott Recht zu erlangen.
-
- $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
-
- $2$ Wahrlich, ich habe erkannt, daβ es so ist. Und wie könnte
- ein Mensch vor Gott gerecht sein? $3$ Wenn er Lust hat, mit
- ihm in einen Rechtsstreit zu treten, so könnte er ihm auf
- tausend nicht eins antworten. $4$ Der weise ist von Herzen und
- stark an Kraft - wer trotzte ihm und blieb unversehrt? - $5$
- der Berge versetzt, ohne daβ sie es erkennen, indem er sie
- umstürzt in seinem Zorn; $6$ der aufstört die Erde von ihrer
- Stätte, daβ ihre Säulen erzittern; $7$ der zur Sonne spricht,
- und sie geht nicht auf, und die Sterne versiegelt er; $8$ der
- die Himmel ausspannt, er allein, und schreitet auf den Wogen des
- Meeres; $9$ der den Groβen Bären gemacht hat, den Orion und
- das Siebengestirn und die Kammern des Südens; $10$ der so
- groβe Dinge tut, daβ sie nicht zu erforschen, und Wundertaten,
- daβ sie nicht zu zählen sind.
-
- $11$ Siehe, er geht an mir vorüber, und ich sehe ihn nicht;
- und er zieht vorbei, und ich bemerke ihn nicht. $12$ Siehe, er
- rafft dahin, und wer will ihm wehren? Wer kann zu ihm sagen: Was
- tust du? $13$ Gott wendet seinen Zorn nicht ab, unter ihn
- beugten sich die Helfer Rahabs. $14$ Wieviel weniger könnte
- ich ihm antworten, meine Worte ihm gegenüber wählen! $15$ Ihm
- könnte ich, [auch] wenn ich im Recht wäre, nicht antworten - zu
- meinem Richter würde ich um Gnade flehen. $16$ Wenn ich riefe
- und er mir antwortete, nicht würde ich glauben, daβ er auf meine
- Stimme hörte. $17$ Er, der nach mir greift im Unwetter und
- meine Wunden grundlos vermehrt, $18$ er erlaubt mir nicht,
- Atem zu holen, sondern sättigt mich mit Bitterkeiten. $19$
- Wenn es auf Kraft des Starken ankommt, [so sagt er]: Siehe hier!
- - und wenn auf Recht: Wer will mich vorladen? $20$ Wenn ich
- auch im Recht wäre, mein Mund würde mich verurteilen; wäre ich
- [auch] rechtschaffen, er würde mich schuldig sprechen.
-
- $21$ Rechtschaffen bin ich! Ich kümmere mich nicht um meine
- Seele, ich verachte mein Leben, $22$ es ist eins! Darum sage
- ich: Den Rechtschaffenen wie den Gottlosen vernichtet er. $23$
- Wenn die Geiβel plötzlich tötet, so spottet er über die
- Verzweiflung Unschuldiger. $24$ Die Erde ist in die Hand des
- Gottlosen gegeben, das Angesicht ihrer Richter verhüllt er. Wenn
- er es nicht ist, wer sonst?
-
- $25$ Und meine Tage sind schneller dahin geeilt als ein
- Läufer, sie sind entflohen, haben nichts Gutes gesehen. $26$
- Sie sind vorübergezogen wie Rohrschiffe, wie ein Adler, der auf
- Beute herabstöβt. $27$ Wenn ich denke: Ich will meinen Kummer
- vergessen, will ein anderes Gesicht machen und fröhlich blicken,
- $28$ so bangt mir vor allen meinen Schmerzen. Ich habe
- erkannt, daβ du mich nicht ungestraft läβt.
-
- $29$ Ich muβ ja schuldig sein! Wozu soll ich mich denn für
- nichts abmühen? $30$ Wenn ich mich [auch] mit Schneewasser
- wüsche und meine Hände mit Lauge reinigte, $31$ dann würdest
- du mich in die Grube tauchen, daβ sich meine eigenen Kleider vor
- mir ekelten. $32$ Denn er ist nicht ein Mann wie ich, daβ ich
- ihm antworten, daβ wir zusammen vor Gericht gehen könnten.
- $33$ Es gibt zwischen uns keinen Schiedsmann, daβ er seine
- Hand auf uns beide legen könnte. $34$ Er nehme seine Rute von
- mir weg, und sein Schrecken ängstige mich nicht mehr, $35$ so
- will ich reden und ihn nicht fürchten, denn so [steht es jetzt]
- bei mir nicht.
-
- \10\
- Klage über Gottes Verhalten in der schweren Heimsuchung.
-
- $1$ Es ekelt mich vor meinem Leben. Ich will meinen Kummer
- von mir lassen, will reden in der Bitterkeit meiner Seele.
- $2$ Ich sage zu Gott: Verdamme mich nicht! Laβ mich wissen,
- warum du mich vor Gericht ziehst! $3$ Ist das gut für dich,
- daβ du Unterdrückung übst, daβ du die Arbeit deiner Hände
- verwirfst und [dein Licht] über dem Rat der Gottlosen leuchten
- läβt? $4$ Hast du Menschenaugen, oder siehst du, wie ein
- Mensch sieht? $5$ Sind deine Tage wie die Tage eines Menschen
- oder deine Jahre wie die Tage eines Mannes, $6$ daβ du nach
- meiner Schuld suchst und nach meiner Sünde forschst, $7$
- obwohl du weiβt, daβ ich nicht schuldig bin, und niemand da ist,
- der aus deiner Hand retten kann?
-
- $8$ Deine Hände haben mich ganz gebildet und gestaltet um und
- um, und [nun] verschlingst du mich! $9$ Bedenke doch, daβ du
- mich wie Ton gestaltet hast! Und [jetzt] willst du mich zum
- Staub zurückkehren lassen! $10$ Hast du mich nicht
- hingegossen wie Milch und wie Käse mich gerinnen lassen? $11$
- Mit Haut und Fleisch hast du mich bekleidet und mit Knochen und
- Sehnen mich durchflochten. $12$ Leben und Gnade hast du mir
- gewährt, und deine Obhut bewahrte meinen Geist. $13$ Doch
- dies verbargst du in deinem Herzen, ich habe erkannt, daβ du
- dies im Sinn hattest: $14$ Wenn ich sündigte, so würdest du
- mich beobachten und mich nicht von meiner Schuld freisprechen.
- $15$ Wenn ich schuldig wäre - wehe mir! Und wäre ich im
- Recht, dürfte ich mein Haupt [doch] nicht erheben, gesättigt mit
- Schande und getränkt mit Elend. $16$ Und richtete es sich
- auf, wie ein Löwe würdest du mich jagen und dich wieder als
- wunderbar an mir erweisen. $17$ Du würdest neue Zeugen gegen
- mich aufstellen und deinen Zorn über mich vergröβern. Ein
- ständig sich ablösendes Heer [kämpft] gegen mich.
-
- $18$ Warum hast du mich aus dem Mutterleib hervorgezogen?
- Wäre ich doch umgekommen, so hätte mich kein Auge gesehen!
- $19$ Als wenn ich nie gewesen, so wäre ich [dann]; vom
- Mutterschoβ wäre ich zu Grabe geleitet worden!
-
- $20$ Sind meine Tage nicht [nur noch] wenige? Er lasse [doch]
- ab, wende sich von mir, daβ ich ein wenig fröhlich werde,
- $21$ ehe ich hingehe - und nicht wiederkomme - in das Land
- der Finsternis und des Todesschattens, $22$ in das Land,
- schwarz wie die Dunkelheit, [das Land] der Finsternis - [da ist]
- keine Ordnung -, und [selbst] das Hellwerden ist [dort] wie
- Dunkelheit!
-
- \11\
- Erste Rede des Zofar: Widerspruch gegen Hiob - Mahnung zur
- rechten Schau und zur Demütigung vor dem allwissenden Gott.
-
- $1$ Und Zofar von Naama antwortete und sagte:
-
- $2$ Soll der Wortschwall nicht beantwortet werden, oder soll
- ein Schwätzer recht behalten? $3$ Soll dein Gerede Männer zum
- Schweigen bringen, daβ du spotten kannst und niemand [dich]
- beschämt? $4$ Und du sagtest: Meine Lehre ist lauter, und ich
- war rein in deinen Augen! $5$ Aber - möge Gott doch reden und
- seine Lippen gegen dich auftun $6$ und dir die Geheimnisse
- der Weisheit mitteilen, daβ sie wie Wunder sind für
- [menschliche] Klugheit! Und erkenne [doch], daβ Gott dir [viel]
- von deiner Schuld übersieht!
-
- $7$ Kannst du die Tiefen Gottes erreichen oder die
- Vollkommenheit des Allmächtigen ergründen? $8$ Himmelhoch
- [sind sie] - was kannst du tun? - tiefer als der Scheol - was
- kannst du erkennen? $9$ Länger als die Erde ist ihr Maβ und
- breiter als das Meer. $10$ Wenn er vorüberzieht und festnimmt
- und [zum Gericht] versammelt, wer will ihm dann wehren? $11$
- Denn er erkennt die nichtswürdigen Männer und er sieht Böses,
- ohne daβ er [darauf] achten muβ. $12$ Kann ein Hohlkopf
- Verstand gewinnen und ein Eselhengst als Mensch geboren werden?
-
- $13$ Wenn du dein Herz fest ausrichtest und deine Hände zu
- ihm ausbreitest - $14$ wenn Böses in deiner Hand ist, so
- entferne es und laβ in deinen Zelten kein Unrecht wohnen! -
- $15$ ja, dann wirst du dein Gesicht erheben ohne Makel und
- wirst unerschütterlich sein und dich nicht fürchten. $16$
- Denn du wirst die Mühsal vergessen, wirst [an sie] denken wie an
- vorbeigeflossenes Wasser, $17$ und heller als der Mittag wird
- [dein] Leben aufgehen; mag es finster sein - wie der Morgen wird
- es werden. $18$ Und du wirst Vertrauen fassen, weil es
- Hoffnung gibt; und du wirst Ausschau halten, in Sicherheit dich
- niederlegen. $19$ Und du liegst da, und niemand wird dich
- aufschrecken, und viele werden deine Gunst suchen. $20$ Aber
- die Augen der Gottlosen werden versagen. Und [jede] Zuflucht
- geht ihnen verloren, und ihre Hoffnung ist, die Seele
- auszuhauchen.
-
- \12\
- Hiobs Antwort: Klage über seine Freunde - Schilderung der
- verkannten Macht und Weisheit Gottes.
-
- $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
-
- $2$ Wirklich, ihr seid [die rechten] Leute, und mit euch wird
- die Weisheit aussterben! $3$ Auch ich habe Verstand wie ihr,
- ich stehe nicht hinter euch zurück; und wer wüβte dies nicht?
- $4$ Zum Gespött für seine Gefährten wird der, der zu Gott
- rief - und der antwortete ihm - der Gerechte, Rechtschaffene
- [wird] zum Gespött! $5$ Dem Unglück gebührt Verachtung, meint
- der Sichere, ein Stoβ denen, deren Fuβ wankt! $6$ Die Zelte
- der Verwüster haben Ruhe, und Sicherheit gibt es für die, die
- Gott reizen, für den, der Gott in seiner Hand führt. $7$ Aber
- frage doch das Vieh, und es wird es dich lehren, oder die Vögel
- des Himmels, und sie werden es dir mitteilen, $8$ oder rede
- zu der Erde, und sie wird es dich lehren, und die Fische des
- Meeres werden es dir erzählen! $9$ Wer erkennt nicht an all
- diesem, daβ die Hand des HERRN dies gemacht hat? $10$ In
- seiner Hand ist die Seele alles Lebendigen und der Lebensatem
- alles menschlichen Fleisches. $11$ Soll das Ohr nicht die
- Worte prüfen, [wie] der Gaumen für sich die Speise kostet?
- $12$ Bei Greisen ist Weisheit, und Einsicht bei hohem Alter.
- $13$ Bei ihm ist Weisheit und Macht, sein ist Rat und
- Einsicht. $14$ Siehe, er reiβt nieder, und es wird nicht
- wieder gebaut; er schlieβt über jemandem zu, und es wird nicht
- wieder geöffnet. $15$ Siehe, er hemmt die Wasser, und sie
- trocknen aus; er läβt sie los, und sie kehren das Land um.
- $16$ Bei ihm ist Kraft und Erfolg; sein ist, wer irrt und wer
- irreführt. $17$ Er führt Ratgeber beraubt weg, und Richter
- macht er zu Narren. $18$ Fesseln von Königen löst er auf und
- schlingt einen Gurt um ihre Hüften. $19$ Er führt Priester
- beraubt weg, und alte Geschlechter bringt er zu Fall. $20$
- Bewährten [Sprechern] entzieht er die Sprache, und Alten nimmt
- er die Urteilskraft. $21$ Verachtung schüttet er auf Edle,
- und den Gürtel der Starken lockert er. $22$ Er enthüllt
- Geheimnisvolles aus dem Dunkel, und Finsternis zieht er ans
- Licht. $23$ Er macht Völker groβ und vernichtet sie; er
- breitet Völker aus, und er leitet sie. $24$ Den Häuptern des
- Volkes im Land nimmt er den Mut, und in wegloser Einöde läβt er
- sie umherirren. $25$ Sie tappen in der Finsternis, wo kein
- Licht ist, und er läβt sie umherirren wie einen Betrunkenen.
-
- \13\
- Warnung der Freunde vor der Gerechtigkeit Gottes - Vorsichtige
- Aufforderung an Gott zum Rechtsstreit.
-
- $1$ Siehe, das alles hat mein Auge gesehen, mein Ohr gehört
- und sich gemerkt. $2$ Soviel ihr erkannt habt, habe ich auch
- erkannt, ich stehe nicht hinter euch zurück.
-
- $3$ Doch ich will zum Allmächtigen reden, und vor Gott will
- ich mich verteidigen. $4$ Ihr dagegen seid Lügendichter,
- Kurpfuscher, ihr alle! $5$ Hieltet ihr euch doch still! Das
- würde euch zur Weisheit gereichen. $6$ Hört doch meine
- Entgegnung und achtet auf die Streitreden meiner Lippen! $7$
- Wollt ihr für Gott Verkehrtes vorbringen und für ihn Falsches
- vortragen? $8$ Wollt ihr seine Partei ergreifen, oder wollt
- ihr für Gott den Rechtsstreit führen? $9$ Wird es gut für
- euch sein, wenn er euch erforscht? Oder wollt ihr ihn täuschen,
- wie man einen Menschen täuscht? $10$ Hart zurechtweisen wird
- er euch, wenn ihr insgeheim die Person anseht. $11$ Wird
- seine Hoheit euch nicht aufschrecken und sein Schrecken nicht
- auf euch fallen? $12$ Was ihr vorbringt, sind Sprüche von
- Asche, eure Bollwerke erweisen sich als Bollwerke aus Lehm.
-
- $13$ Schweigt still vor mir, und ich will reden, was auch
- über mich ergehen möge! $14$ Warum sollte ich mein Fleisch
- zwischen meine Zähne nehmen und mein Leben in meine Hand legen?
- $15$ Siehe, er wird mich töten, ich will auf ihn warten, nur
- will ich meine Wege ihm ins Angesicht rechtfertigen. $16$
- Schon das wird mir zur Rettung sein, denn kein Ruchloser darf
- vor sein Angesicht kommen. $17$ Hört, hört meine Rede, und
- meine Darlegung dringe in eure Ohren! $18$ Siehe doch, ich
- habe den Rechtsfall vorgebracht, ich habe erkannt, daβ ich recht
- behalten werde. $19$ Wer ist der, der mit mir den
- Rechtsstreit führen könnte? Denn dann wollte ich schweigen und
- verscheiden.
-
- $20$ Nur zweierlei tue nicht mit mir, dann werde ich mich
- nicht vor deinem Angesicht verbergen! $21$ Entferne deine
- Hand von mir, und dein Schrecken soll mich nicht ängstigen!
- $22$ Dann rufe, und ich will antworten, oder ich will reden,
- und du erwidere mir! $23$ Wie viele Sünden und Vergehen habe
- ich? Laβ mich mein Verbrechen und mein Vergehen wissen! $24$
- Warum verbirgst du dein Angesicht und hältst mich für deinen
- Feind? $25$ Willst du ein verwehtes Blatt erschrecken und
- einem dürren Halm nachjagen? $26$ Denn Bitteres verhängst du
- über mich, und die Sünden meiner Jugend läβt du mich entgelten.
- $27$ Und meine Füβe legst du in den Block und beobachtest all
- meine Pfade, zeichnest dir die Sohlen meiner Füβe auf, $28$
- da ich doch wie Moder zerfalle, wie ein Kleid, das die Motte
- zerfressen hat.
-
- \14\
- Klage über die Nichtigkeit des Menschenlebens - Vergebliches
- Hoffen auf Trost nach dem Tod.
-
- $1$ Der Mensch, von der Frau geboren, lebt kurze Zeit und ist
- mit Unruhe gesättigt. $2$ Wie eine Blume kommt er hervor und
- verwelkt; und wie der Schatten flieht er und kann nicht
- bestehen. $3$ Doch über einen solchen hast du deine Augen
- geöffnet, und mich führst du ins Gericht mit dir! $4$ Wie
- könnte ein Reiner vom Unreinen [kommen]? Nicht ein einziger!
- $5$ Wenn seine [Lebens]tage festgesetzt sind, die Zahl seiner
- Monate bei dir [feststeht], wenn du [ihm] sein Ziel gesetzt
- hast, daβ er es nicht überschreiten kann, $6$ so blicke weg
- von ihm, so daβ er Ruhe hat, damit er wie ein Tagelöhner seinen
- Tag genieβen kann!
-
- $7$ Denn für den Baum gibt es Hoffnung. Wird er abgehauen, so
- schlägt er wieder aus, und seine Triebe bleiben nicht aus.
- $8$ Wenn seine Wurzel [auch] in der Erde altert und sein
- Stumpf im Staub abstirbt - $9$ vom Duft des Wassers sproβt er
- wieder und treibt Zweige wie ein Pflänzling. $10$ Ein Mann
- aber stirbt und liegt da; und ein Mensch verscheidet, und wo ist
- er [dann]? $11$ Die Wasser verrinnen aus dem Meer, und der
- Fluβ trocknet aus und versiegt; $12$ so legt der Mensch sich
- hin und steht nicht wieder auf. Bis der Himmel nicht mehr ist,
- erwacht er nicht und wird nicht aufgeweckt aus seinem Schlaf.
-
- $13$ Daβ du mich doch im Scheol verstecktest, mich
- verbärgest, bis dein Zorn sich abwendete, mir ein Ziel setztest
- und dann meiner gedächtest! $14$ - Wenn ein Mann stirbt, wird
- er etwa wieder leben? - Alle Tage meines Dienstes wollte ich
- harren, bis meine Ablösung käme! $15$ Du würdest rufen, und
- ich würde dir antworten, nach dem Werk deiner Hände würdest du
- dich sehnen. $16$ Denn dann würdest du [zwar] meine Schritte
- zählen, aber gäbest nicht acht auf meine Sünde! $17$ Mein
- Verbrechen wäre versiegelt in einem Bündel, und du würdest meine
- Schuld zudecken.
-
- $18$ Und doch, ein Berg stürzt ein, zerfällt, und ein Fels
- rückt fort von seiner Stelle. $19$ Wasser zerreibt Steine,
- seine Fluten schwemmen den Staub der Erde hinweg. So machst du
- die Hoffnung des Menschen zunichte. $20$ Du überwältigst ihn
- für immer, und er geht dahin; sein Gesicht entstellst du und
- schickst ihn fort. $21$ Kommen seine Kinder zu Ehren, er weiβ
- es nicht, und werden sie gering, er achtet nicht auf sie.
- $22$ Sein Fleisch fühlt nur noch für sich selber Schmerz, und
- seine Seele trauert nur um sich.
-
- \15\
- Zweite Rede des Elifas: Er rügt Hiob wegen des ungeziemenden
- Redens gegen Gott - Unheil für den Gottlosen.
-
- $1$ Und Elifas von Teman antwortete und sagte:
-
- $2$ Wird [etwa] ein Weiser windige Erkenntnis zur Antwort
- geben, oder wird er sein Inneres mit Ostwind füllen? $3$ Wird
- er mit nutzlosen Worten streiten oder mit Reden, mit denen er
- nicht hilft? $4$ Ja, du zerstörst die Gottesfurcht und
- beschneidest die Andacht vor Gott. $5$ Denn deine Schuld
- belehrt deinen Mund, und du wählst die Sprache der Listigen.
- $6$ Dein Mund verdammt dich und nicht ich; und deine Lippen
- sagen gegen dich aus.
-
- $7$ Bist du als Erster der Menschen geboren, oder bist du vor
- den Hügeln hervorgebracht worden? $8$ Hörst du im Rat Gottes
- zu, und reiβt du die Weisheit an dich? $9$ Was hast du
- erkannt, das wir nicht erkannt hätten? Was verstehst du, das uns
- nicht bekannt wäre? $10$ Unter uns sind auch Alte, auch
- Greise, reicher an Tagen als dein Vater.
-
- $11$ Sind dir die Tröstungen Gottes zu wenig oder ein Wort,
- das sanft mit dir [verfuhr]? $12$ Was reiβt dein Herz dich
- hin, und was rollen deine Augen, $13$ daβ du dein Schnauben
- gegen Gott kehrst und [solche] Reden aus deinem Mund hast
- hervorgehen lassen? $14$ Was ist der Mensch, daβ er rein
- dastehen könnte, und der von einer Frau Geborene, daβ er gerecht
- wäre? $15$ Siehe, [selbst] auf seine Heiligen vertraut er
- nicht, und die Himmel sind nicht rein in seinen Augen, $16$
- wieviel weniger der Abscheuliche und Verdorbene, der Mann, der
- Unrecht trinkt wie Wasser!
-
- $17$ Ich will dir verkünden, höre mir zu! Und was ich
- geschaut habe, will ich erzählen, $18$ was die Weisen
- mitgeteilt und nicht verhehlt haben von ihren Vätern her -
- $19$ ihnen allein war das Land gegeben, und kein Fremder zog
- in ihrer Mitte umher -:
-
- $20$ All seine Tage quält sich der Gottlose in Angst, und
- eine [kleine] Zahl von Jahren ist dem Gewalttätigen aufbewahrt.
- $21$ Der Ton des Schreckens [gellt] in seinen Ohren, im
- Frieden kommt der Verwüster über ihn. $22$ Er glaubt nicht
- daran, aus der Finsternis zurückkehren zu können, und er ist
- ausersehen für das Schwert. $23$ Er irrt umher nach Brot - wo
- [ist es]? Er hat erkannt, daβ sich neben ihm [schon] ein
- finsterer Tag bereit hält. $24$ Not und Bedrängnis schrecken
- ihn, sie überwältigen ihn wie ein König, der zum Sturm bereit
- ist. $25$ Denn er hat seine Hand gegen Gott ausgestreckt, und
- dem Allmächtigen gegenüber hat er sich überheblich gebärdet.
- $26$ Mit [hartem] Nacken rannte er gegen ihn an, mit der
- Dicke seiner Schildbuckel. $27$ Denn er hat sein Gesicht
- bedeckt mit seinem Fett und Speck an der Lende angesetzt,
- $28$ und er bewohnte zerstörte Städte, Häuser, in denen man
- nicht wohnen soll, die zu Steinhaufen bestimmt waren. $29$ Er
- wird nicht reich, und sein Vermögen hat keinen Bestand; und
- nicht neigt sich zur Erde seine Ähre. $30$ Er entweicht der
- Finsternis nicht; seine Triebe dörrt die Flamme aus, und er muβ
- weichen beim Hauch seines Mundes. $31$ Er verlasse sich nicht
- auf Nichtiges, er wird irregeführt; denn Nichtiges wird sein
- Eintausch dafür sein. $32$ Wenn sein Tag noch nicht da ist,
- so erfüllt es sich [schon]; und sein Sproβ wird nicht grün.
- $33$ Wie der Weinstock stöβt er seine unreifen Trauben ab,
- und wie der Olivenbaum wirft er seine Blüte ab. $34$ Denn die
- Schar des Ruchlosen ist unfruchtbar, und Feuer friβt die Zelte
- der Bestechung. $35$ Sie sind schwanger mit Mühsal und
- gebären Unrecht, und ihr Inneres bereitet Verrat.
-
- \16\
- Hiobs Antwort: Leidiger Trost der Freunde - Trotz
- Schuldlosigkeit Behandlung als Sünder durch Gott und Menschen -
- Warten auf Gottes Wirken nach dem Tod.
-
- $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
-
- $2$ Ich habe so etwas [nun] viel gehört. Mühsame Tröster seid
- ihr alle! $3$ Haben die windigen Worte [nun] ein Ende? Oder
- was reizt dich, daβ du antwortest? $4$ Auch ich könnte reden
- wie ihr. Wäret ihr doch an meiner Stelle! Dann könnte ich mit
- Worten gegen euch glänzen und meinen Kopf über euch schütteln.
- $5$ Ich wollte euch stärken mit meinem Mund, und das Beileid
- meiner Lippen würde ich nicht zurückhalten.
-
- $6$ Wenn ich rede, so wird mein Schmerz nicht gehemmt; und
- unterlasse ich es - was weicht [dann] von mir? $7$ Ja, jetzt
- hat er mich müde gemacht. Du hast meine ganze Umgebung
- menschenleer gemacht. $8$ Und du hast mich gepackt, das zeugt
- gegen mich. Und meine Abmagerung tritt als Zeuge gegen mich auf,
- mir ins Angesicht sagt sie aus. $9$ Sein Zorn zerfleischte
- [mich] und feindete mich an, er knirschte mit seinen Zähnen
- gegen mich, als mein Feind schärft er seine Augen gegen mich.
- $10$ Ihren Mund haben sie gegen mich aufgesperrt, mit
- Schmähung meine Backen geschlagen; gemeinsam rotten sie sich
- gegen mich zusammen. $11$ Gott gibt mich dem Ungerechten
- preis, und in die Hände der Gottlosen stürzt er mich. $12$
- Ich war sorglos, da hat er mich aufgerüttelt, und er packte mich
- beim Nacken und zerschmetterte mich, und er stellte mich für
- sich als Zielscheibe auf. $13$ Seine Geschosse umfliegen
- mich. Er spaltet meine Nieren und empfindet kein Mitleid, er
- schüttet meine Galle auf die Erde. $14$ Bresche auf Bresche
- reiβt er in mich. Er rennt gegen mich an wie ein Krieger.
- $15$ Ich habe Sacktuch über meine Haut genäht und mein Horn
- in den Staub gesenkt. $16$ Mein Gesicht glüht vom Weinen, und
- auf meinen Wimpern liegt Finsternis, $17$ obwohl keine
- Gewalttat an meinen Händen [klebt] und mein Gebet lauter ist.
-
- $18$ Erde, decke mein Blut nicht zu, und für meinen
- Klageschrei sei kein Ruheplatz da! $19$ Auch jetzt [noch] -
- siehe, im Himmel ist mein Zeuge und mein Fürsprecher in der
- Höhe. $20$ Meine Gefährten verspotten mich. Zu Gott blickt
- mein Auge mit Tränen auf, $21$ daβ er Recht schaffe für einen
- Mann gegen Gott und für einen Menschensohn gegen seine
- Gefährten. $22$ Denn es kommen nur noch wenige Jahre, und ich
- werde einen Weg gehen, von dem ich nicht zurückkomme.
-
- \17\
- Gründe für Gottes Eintreten - Abweisen der Reden der Freunde als
- töricht in Erwartung des Grabes.
-
- $1$ Mein Geist ist verstört, meine Tage sind ausgelöscht,
- Gräber sind für mich da. $2$ Ist nicht um mich herum Gespött,
- und muβ nicht mein Auge auf ihrer Widerspenstigkeit haften?
- $3$ Setze doch [ein Pfand] ein, leiste bei dir selbst
- Bürgschaft für mich! Wer sonst wird in meine Hand einschlagen?
- $4$ Denn ihr Herz hast du der Einsicht verschlossen; darum
- wirst du sie nicht erhöhen. $5$ Den Gefährten erzählt man vom
- Beuteteilen, aber die Augen der eigenen Kinder verschmachten.
-
- $6$ Und er hat mich hingestellt zum Spott der Leute, und zum
- Anspeien ins Gesicht bin ich [gut]. $7$ Und mein Auge ist
- trübe geworden vor Gram, und all meine Glieder sind wie ein
- Schatten. $8$ Die Aufrichtigen werden sich darüber entsetzen,
- und der Schuldlose wird sich über den Ruchlosen aufregen. $9$
- Doch der Gerechte wird an seinem Weg festhalten, und der, dessen
- Hände rein sind, wird an Stärke zunehmen. $10$ Aber ihr alle,
- kommt nur wieder her! Einen Weisen finde ich doch nicht unter
- euch. $11$ Meine Tage sind vorüber, zerrissen sind meine
- Pläne, die Wünsche meines Herzens. $12$ Die Nacht machen sie
- zum Tage, das Licht [soll mir] näher [sein] als die Finsternis.
- $13$ Nichts hoffe ich mehr! Der Scheol ist mein Haus, in der
- Finsternis habe ich mein Lager ausgebreitet. $14$ Zum Grab
- sage ich: Du bist mein Vater! Zur Made: Meine Mutter und meine
- Schwester! $15$ Wo ist denn nun meine Hoffnung? Ja, meine
- Hoffnung, wer wird sie schauen? $16$ Sie fährt mit mir hinab
- zum Scheol, wenn wir miteinander in den Staub sinken.
-
- \18\
- Zweite Rede des Bildad: Unwillen über Hiobs anmaβendes Reden -
- Unvermeidlicher Untergang der Gottlosen.
-
- $1$ Und Bildad von Schuach antwortete und sagte:
-
- $2$ Wie lange wollt ihr den Worten Grenzen setzen? Nehmt
- Einsicht an, und danach wollen wir reden! $3$ Warum werden
- wir denn für Vieh gehalten, sind dumm in deinen Augen? $4$
- Du, der sich selbst zerfleischt in seinem Zorn, soll um
- deinetwillen die Erde verlassen werden, ein Fels von seiner
- Stelle wegrücken?
-
- $5$ Doch das Licht des Gottlosen wird erlöschen, und die
- Flamme seines Feuers wird nicht leuchten. $6$ Das Licht in
- seinem Zelt wird finster, und seine Leuchte erlischt über ihm.
- $7$ Gehemmt werden seine kräftigen Schritte, und sein eigener
- Ratschlag wird ihn stürzen. $8$ Denn durch seine eigenen Füβe
- wird er ins Netz getrieben, und auf Fallgittern geht er einher.
- $9$ Das Klappnetz wird seine Ferse festhalten, die Schlinge
- ihn packen. $10$ Sein Strick ist verborgen in der Erde und
- die Falle für ihn auf dem Pfad. $11$ Ringsum jagen ihn
- plötzliche Schrecken auf, sie hetzen ihn auf Schritt und Tritt.
- $12$ Sein Reichtum wird zum Hunger, und das Verderben steht
- an seiner Seite bereit. $13$ Stücke von seiner Haut wird er
- fressen, seine Glieder wird er fressen, der Erstgeborene des
- Todes. $14$ Von seinem Zelt, wo er sich sicher fühlte, wird
- er fortgerissen, und es treibt ihn zum König der Schrecken.
- $15$ Was nicht sein ist, wird in seinem Zelt wohnen, auf
- seine Wohnstätte wird Schwefel gestreut werden. $16$ Von
- unten werden seine Wurzeln verdorren, und von oben wird sein
- Gezweig abwelken. $17$ Sein Andenken verschwindet von der
- Erde, und weit und breit hat er keinen Namen. $18$ Man stöβt
- ihn aus dem Licht in die Finsternis und verjagt ihn aus der
- Welt. $19$ Er wird keinen Sproβ und keinen Nachkommen haben
- in seinem Volk, noch wird ein Entkommener in seinen Schutzorten
- sein. $20$ Über seinen [Gerichts]tag entsetzen sich die Leute
- im Westen, und die im Osten packt Schauder. $21$ Ja, dies
- sind sie Wohnungen des Übeltäters, und dies ist die Stätte
- dessen, der Gott nicht erkennt.
-
- \19\
- Hiobs Antwort: Klage über die Härte der Freunde, über das zu
- Unrecht zugefügte Leid - Gewiβheit über den Erlöser.
-
- $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
-
- $2$ Wie lange wollt ihr meine Seele plagen und mich mit
- Worten zerschlagen? $3$ Schon zehnmal habt ihr mich
- beschimpft. Ihr schämt euch nicht, ihr setzt mir hart zu. $4$
- Und habe ich auch wirklich geirrt, so bleibt [doch] mein Irrtum
- bei mir. $5$ Wenn ihr wirklich gegen mich groβtun und mir
- meine Schande vorhalten wollt, $6$ so erkennt denn, daβ Gott
- mich irregeführt und sein Fangseil um mich gezogen hat.
-
- $7$ Siehe, ich schreie: Unrecht! - und werde nicht erhört.
- Ich rufe um Hilfe, und da ist kein Recht. $8$ Er hat meinen
- Weg verschüttet, und ich kann nicht hinüber; und auf meine Pfade
- legt er Finsternis. $9$ Meine Ehre hat er mir ausgezogen und
- weggenommen die Krone meines Hauptes. $10$ Er hat mich
- abgebrochen ringsum, so daβ ich vergehe, und hat meine Hoffnung
- ausgerissen wie einen Baum. $11$ Und seinen Zorn lieβ er
- gegen mich entbrennen und achtete mich seinen Feinden gleich.
- $12$ Vereint kamen seine Scharen und bahnten ihren Weg gegen
- mich und lagerten sich rings um mein Zelt. $13$ Meine Brüder
- hat er von mir entfernt, und meine Bekannten sind mir ganz
- entfremdet. $14$ Meine Verwandten bleiben aus, und meine
- Vertrauten haben mich vergessen. $15$ Die Schutzbefohlenen
- meines Hauses und meine Mägde halten mich für einen Fremden; ein
- Ausländer bin ich in ihren Augen geworden. $16$ Meinen Knecht
- rufe ich, und er antwortet nicht; mit meinem Mund muβ ich ihn
- anflehen. $17$ Mein Atem ist meiner Frau widerlich, und
- stinkend bin ich den Kindern meiner Mutter. $18$ Selbst Buben
- verachten mich. Will ich aufstehen, so wenden sie sich von mir
- ab. $19$ Alle meine Vertrauten verabscheuen mich, und die,
- die ich liebte, haben sich gegen mich gewendet. $20$ Mein
- Gebein klebt an meiner Haut und an meinem Fleisch, und an der
- Haut meiner Zähne bin ich kahl geworden.
-
- $21$ Erbarmt euch über mich, erbarmt euch über mich, ihr
- meine Freunde! Denn die Hand Gottes hat mich getroffen. $22$
- Warum jagt ihr mir nach wie Gott und könnt von meinem Fleisch
- nicht satt werden? $23$ O daβ doch meine Worte aufgeschrieben
- würden! Daβ sie in ein Buch [kämen] und aufgezeichnet würden,
- $24$ mit eisernem Griffel und Blei in den Felsen gehauen
- würden auf ewig!
-
- $25$ Doch ich weiβ: Mein Erlöser lebt; und als der letzte
- wird er über dem Staub stehen. $26$ Und nachdem man meine
- Haut so zerschunden hat, werde ich doch aus meinem Fleisch Gott
- schauen. $27$ Ja, ich werde ihn für mich sehen, und meine
- Augen werden [ihn] sehen, aber nicht als Fremden. Meine Nieren
- verschmachten in meinem Innern. $28$ Wenn ihr sagt: Wie
- wollen wir ihm nachjagen! - und daβ die Wurzel der Sache in mir
- zu finden sei, $29$ so fürchtet euch selbst vor dem Schwert!
- Denn das Schwert ist der Grimm, [der über] die Sünden [kommt],
- damit ihr erkennt: Es gibt einen Richter.
-
- \20\
- Zweite Rede des Zofar: Kurze Freude der Gottlosen vor ihrem
- Untergang.
-
- $1$ Und Zofar von Naama antwortete und sagte:
-
- $2$ Darum geben meine beunruhigenden Gedanken mir Antwort,
- und deswegen bin ich innerlich erregt: $3$ Eine Mahnung, mir
- zur Schande, höre ich, aber der Geist aus meiner Einsicht
- antwortet mir.
-
- $4$ Hast du nicht von jeher das erkannt, seitdem [Gott]
- Menschen auf die Erde gesetzt hat, $5$ daβ der Jubel der
- Gottlosen von kurzer Dauer und die Freude des Ruchlosen für
- einen Augenblick war? $6$ Stiege auch seine Hoheit bis zum
- Himmel hinauf, und rührte sein Haupt an die Wolken, $7$
- gleich seinem Kot vergeht er auf ewig. Die ihn gesehen haben,
- sagen: Wo ist er? $8$ Wie ein Traum verfliegt er, und man
- findet ihn nicht, und er wird weggescheucht wie ein
- Nachtgesicht. $9$ Das Auge hat ihn erblickt, doch nun nicht
- mehr, und seine Stätte gewahrt ihn nicht mehr. $10$ Seine
- Söhne müssen die Geringen gütig stimmen und seine Hände sein
- Vermögen zurückgeben. $11$ Waren seine Glieder [auch] voll
- seiner Jugendkraft, so liegt sie [nun] mit ihm im Staub.
-
- $12$ Wenn das Böse auch in seinem Mund süβ schmeckte, er es
- verbarg unter seiner Zunge, $13$ es aufsparte und nicht
- fahren lieβ und es zurückhielt unter seinem Gaumen, $14$ so
- hat sich seine Speise [doch] in seinen Eingeweiden verwandelt.
- Viperngalle ist in seinem Innern. $15$ Reichtum hat er
- verschlungen, doch erbricht er ihn [wieder]: aus seinem Bauch
- treibt Gott ihn heraus. $16$ Viperngift sog er ein; die Zunge
- der Giftschlange bringt ihn um. $17$ Nicht sehen darf er die
- Bäche, die flutenden Ströme von Honig und Milch. $18$ Den
- Ertrag gibt er zurück und darf ihn nicht verschlingen. An dem
- Reichtum, den er erwarb, darf er sich nicht freuen. $19$ Denn
- die Geringen hat er miβhandelt, verlassen. Häuser hat er an sich
- gerissen und wird sie nicht ausbauen. $20$ Denn er kannte
- keine Ruhe in seinem Innern; mit seinem Kostbarsten wird er
- nicht entrinnen. $21$ Vor seiner Freβgier gab es kein
- Entrinnen; darum wird sein Wohlstand keinen Bestand haben.
- $22$ In der Fülle seines Überflusses wird er in Bedrängnis
- geraten; die Hand jedes Notleidenden wird über ihn kommen.
- $23$ Es wird geschehen: Um seinen Bauch zu füllen, wird Gott
- die Glut seines Zorns gegen ihn senden und [sie] auf ihn regnen
- lassen, auf seinen Körper. $24$ Flieht er vor eisernen
- Waffen, durchbohrt ihn der Bogen aus Bronze. $25$ Er zückt
- [den Pfeil], da tritt er [schon] aus dem Rücken hervor und das
- blitzende Eisen aus seiner Galle! Er geht dahin, Schrecken über
- ihm! $26$ Alle Finsternis ist aufgespart für seine
- aufgesparten [Schätze]. Ein Feuer, das nicht angefacht ist, wird
- ihn fressen. Übel wird es dem ergehen, der in seinem Zelt
- übriggeblieben ist. $27$ Der Himmel wird seine Schuld
- enthüllen, und die Erde wird sich gegen ihn erheben. $28$ Der
- Ertrag seines Hauses muβ fortgehen, wird zerrinnen am Tag seines
- Zorns. $29$ Das ist das Teil des gottlosen Menschen von Gott
- und das ihm von Gott zugesprochene Erbe.
-
- \21\
- Hiobs Antwort: Wohlergehen der Gottlosen - Gottes Willkür im
- Austeilen von Glück und Unglück - Kein Gericht über die
- Gottlosen.
-
- $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
-
- $2$ Höret, hört meine Rede! Das wäre [wahrer] Trost von euch!
- $3$ Ertragt mich, dann will ich reden, und nachdem ich
- geredet habe, magst du spotten. $4$ [Trage] ich mein Anliegen
- etwa einem Menschen vor? Oder warum sollte ich nicht ungeduldig
- sein? $5$ Wendet euch zu mir und schaudert und legt die Hand
- auf den Mund!
-
- $6$ Ja, wenn ich daran denke, so bin ich bestürzt, und
- Erbeben packt mein Fleisch. $7$ Warum leben die Gottlosen,
- werden alt, nehmen gar noch zu an Macht? $8$ Ihre Nachkommen
- stehen fest vor ihnen so gut wie sie, und ihre Spröβlinge sind
- vor ihren Augen. $9$ Ihre Häuser haben Frieden ohne Furcht,
- und Gottes Rute ist nicht über ihnen. $10$ Sein Stier
- bespringt und verfehlt nicht, seine Kuh kalbt ohne Fehlgeburt.
- $11$ Ihre Buben schicken sie aus wie eine Schafherde, und
- ihre Kinder hüpfen umher. $12$ Sie erheben [ihre Stimme] bei
- Tamburin und Zither und sind fröhlich beim Klang der Flöte.
- $13$ Im Glück genieβen sie ihre Tage, und in Ruhe sinken sie
- in den Scheol hinab. $14$ Und doch sagen sie zu Gott: Weiche
- von uns! Und an der Erkenntnis deiner Wege haben wir kein
- Gefallen. $15$ Was ist der Allmächtige, daβ wir ihm dienen
- sollten, und was hilft es uns, daβ wir [mit Bitten] in ihn
- dringen? $16$ Siehe, steht nicht ihr Glück in ihrer Hand? Der
- Rat der Gottlosen sei fern von mir!
-
- $17$ Wie oft erlischt [denn] die Leuchte der Gottlosen und
- kommt über sie ihr Verderben, [wie oft] teilt er Vernichtung zu
- in seinem Zorn? $18$ [Wie oft denn] werden sie wie Stroh vor
- dem Wind und wie Spreu, die der Sturmwind entführt? $19$
- Bewahrt Gott sein Unheil auf für seine Kinder? Er vergelte ihm
- selbst, daβ er es fühle! $20$ Seine [eigenen] Augen sollen
- seinen Verfall sehen, und vom Zorn des Allmächtigen trinke er!
- $21$ Denn was liegt ihm an seinem Haus nach ihm, wenn die
- Zahl seiner Monate zu Ende ist?
-
- $22$ Kann man Gott Erkenntnis lehren, ihn, der [selbst] die
- Erhabenen richtet? $23$ Dieser stirbt in seiner Vollkraft,
- ganz ungestört und ruhig. $24$ Seine Schenkel sind voll Fett,
- und das Mark seiner Gebeine ist [wohl]getränkt. $25$ Und
- jener stirbt mit bitterer Seele und hat nichts vom Glück
- genossen. $26$ Zusammen liegen sie im Staub, und Gewürm deckt
- sie zu.
-
- $27$ Siehe, ich erkenne eure Gedanken, und die Anschläge, die
- ihr gegen mich ersinnt. $28$ Denn ihr sagt: Wo ist das Haus
- des Edlen und wo das Zelt, die Wohnung der Gottlosen? $29$
- Habt ihr die nicht befragt, die des Weges vorüberziehen? Und
- habt ihr ihre Zeichen nicht genau betrachtet: $30$ daβ der
- Böse am Tag des Verderbens verschont wird, daβ sie am Tag des
- Grimms [in Sicherheit] geleitet werden? $31$ Wer wird ihm ins
- Gesicht seinen Weg vorhalten? Und hat er gehandelt, wer wird ihm
- vergelten? $32$ Er aber, er wird zu den Gräbern geleitet, und
- auf dem Grabhügel hält man Wache. $33$ Süβ sind ihm die
- Schollen des Tales. Und alle Welt zieht hinter ihm her, auch vor
- ihm ohne Zahl. $34$ Wie tröstet ihr mich nun mit Dunst? Und
- von euren Einwänden bleibt [nur] Trug übrig.
-
- \22\
- Dritte Rede des Elifas: Hiobs selbstverschuldetes Elend - Aufruf
- zur Buβe.
-
- $1$ Und Elifas, der Temaniter, antwortete und sagte:
-
- $2$ Kann denn ein Mann Gott Nutzen bringen? Vielmehr sich
- selbst bringt der Einsichtige Nutzen. $3$ Ist es dem
- Allmächtigen von Wert, wenn du gerecht bist, oder ist es ihm ein
- Gewinn, wenn du deine Wege vollkommen machst? $4$ Für deine
- [Gottes]furcht sollte er dich strafen, mit dir vor Gericht
- gehen? $5$ Ist nicht deine Bosheit vielfältig und ohne Ende
- deine Schuld? $6$ Denn du pflegtest deinen Bruder ohne Grund
- zu pfänden, und die Kleider zogest du den Nackten aus. $7$
- Nicht [einmal] Wasser gabst du dem Durstigen zu trinken, und dem
- Hungrigen verweigertest du Brot. $8$ Und dem Mann der Faust
- gehört das Land, und der Angesehene darf darin wohnen. $9$
- Die Witwen hast du mit leeren Händen weggeschickt, und die Arme
- der Waisen sind zerschlagen. $10$ Darum sind rings um dich
- her Fallen, und in Bestürzung versetzt dich plötzlicher
- Schrecken $11$ oder Finsternis, [in der] du nichts sehen
- kannst, und Wasserflut, die dich bedeckt.
-
- $12$ Ist Gott nicht so hoch wie die Himmel? Schau an die
- höchsten Sterne, wie hoch sie sind! $13$ Und du sagst: Was
- weiβ denn Gott? Kann er durch das Wolkendunkel hindurch richten?
- $14$ Die Wolken sind ihm ein Versteck, daβ er nichts sieht,
- und am Kreis des Himmels wandelt er. - $15$ Willst du dem
- Pfad der Vorzeit folgen, den die Frevler betraten, $16$ die
- gepackt wurden vor der Zeit - ein Strom hat ihr Fundament
- weggerissen -, $17$ die zu Gott sagten: Weiche von uns! -
- und: Was kann der Allmächtige uns schon tun? $18$ Und er
- hatte ihre Häuser [doch] mit Gutem erfüllt! - Aber von mir
- bleibe fern der Rat der Gottlosen! - $19$ Die Gerechten sehen
- es und freuen sich, und der Schuldlose verspottet sie: $20$
- Fürwahr, unsere Gegner sind vernichtet, und ihren Rest hat das
- Feuer gefressen!
-
- $21$ Söhne dich doch aus mit ihm und halte Frieden! Dadurch
- kommt zu dir [dann] wieder Gutes. $22$ Nimm aus seinem Mund
- doch Weisung an und lege seine Worte dir ins Herz! $23$ Wenn
- du umkehrst zum Allmächtigen, wirst du wieder aufgebaut, hältst
- du Unrecht fern von deinem Zelt. $24$ Wirf in den Staub das
- Golderz und in den Kies der Bäche [dein Gold aus] Ofir, $25$
- so wird der Allmächtige dir dein Golderz und erlesenes Silber
- sein. $26$ Denn dann wirst du am Allmächtigen deine Lust
- haben und zu Gott dein Gesicht erheben. $27$ Du wirst zu ihm
- beten, und er wird dich erhören; und deine Gelübde wirst du
- erfüllen. $28$ Beschlieβt du eine Sache, wird sie zustande
- kommen, und über deinen Wegen leuchtet Licht auf. $29$ Denn
- er erniedrigt hochmütiges Reden, aber dem mit niedergeschlagenen
- Augen hilft er. $30$ [Selbst] den nicht Schuldlosen wird er
- retten; ja, er wird gerettet durch die Reinheit deiner Hände.
-
- \23\
- Hiobs Antwort: Klage über Gott wegen mangelnder Möglichkeit zur
- Rechtfertigung.
-
- $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
-
- $2$ Auch heute ist Widerspruch mein Anliegen. Seine Hand
- lastet schwer auf meinem Seufzen. $3$ Ach, daβ ich wüβte, wie
- ich ihn finden und zu seiner Stätte kommen könnte! $4$ Ich
- wollte vor ihm den Rechtsfall darlegen und meinen Mund mit
- Beweisgründen füllen. $5$ Ich möchte [gern] die Worte wissen,
- die er mir [dann] antwortet, und erfahren, was er zu mir sagt.
- $6$ Ob er in der Fülle [seiner] Kraft wohl den Rechtsstreit
- mit mir führen würde? Nein, gerade er wird auf mich achten.
- $7$ Dort würde sich ein Redlicher mit ihm auseinandersetzen,
- und entkommen werde ich für immer meinem Richter. $8$ Siehe,
- gehe ich nach vorn, so ist er nicht da, nach hinten, so bemerke
- ich ihn nicht, $9$ nach links, sein Tun schaue ich nicht,
- biege ich ab nach rechts, so sehe ich ihn nicht.
-
- $10$ Denn er kennt den Weg, der bei mir ist. Prüfte er mich,
- wie Gold ginge ich hervor. $11$ An seinem Schritt hat mein
- Fuβ festgehalten, seinen Weg habe ich bewahrt und bin nicht
- abgewichen. $12$ Vom Gebot seiner Lippen lieβ ich nicht ab;
- mehr als es meine Pflicht gewesen wäre, wahrte ich die Worte
- seines Mundes. $13$ Doch er, der Eine - wer kann [ihm]
- wehren? -, er tut, was seine Seele begehrt. $14$ Ja, er wird
- vollenden, was für mich bestimmt ist; und dergleichen hat er
- vieles [noch] im Sinn. $15$ Bestürzt bin ich darum vor seinem
- Angesicht; erwäge ich es, so bebe ich vor ihm. $16$ Gott hat
- mein Herz verzagt gemacht, und der Allmächtige hat mich in
- Bestürzung versetzt. $17$ Doch werde ich nicht zum Schweigen
- gebracht vor Finsternis, noch von mir selbst, den Dunkelheit
- bedeckt.
-
- \24\
- Unbegreifliche Nachsicht Gottes mit den Gottlosen.
-
- $1$ Warum sind dem Allmächtigen die Zeiten nicht unbekannt,
- aber die, die ihn kennen, schauen seine Tage nicht? $2$ Die
- Grenzen verrückt man, raubt eine Herde und bringt sie auf die
- Weide. $3$ Den Esel der Waisen treibt man weg, pfändet der
- Witwe den Stier. $4$ Man stöβt die Armen vom Weg; miteinander
- müssen sich die Elenden des Landes verkriechen. $5$ Siehe,
- [scheu wie] Wildesel in der Wüste ziehen sie hinaus an ihr Werk,
- suchen nach Nahrung [in] der Steppe als Brot für die Kinder.
- $6$ Auf dem Feld ernten sie sein Futter ab und halten im
- Weinberg des Gottlosen Nachlese. $7$ Nackt übernachten sie,
- ohne Gewand und ohne Decke in der Kälte, $8$ werden vom
- Regenguβ der Berge durchnäβt, und ohne Zufluchtsort klammern sie
- sich an den Fels. $9$ Man reiβt das Waisenkind [der Mutter]
- von der Brust, und den Säugling des Elenden nimmt man als Pfand.
- $10$ Nackt müssen sie einhergehen, ohne Gewand, und hungrig
- die Garben schleppen. $11$ Zwischen ihren Mauern pressen sie
- Öl, treten die Kelter und leiden Durst. $12$ Von der Stadt
- her ächzen Sterbende, und die Seele der Durchbohrten schreit
- auf. Doch Gott nimmt keinen Anstoβ daran.
-
- $13$ Jene gehören zu den Feinden des Lichtes, nichts wollen
- sie von seinen Wegen wissen und bleiben nicht auf seinen Pfaden.
- $14$ Vor dem Tageslicht steht der Mörder auf, um den Elenden
- und Armen zu töten, und in der Nacht geht der Dieb um. $15$
- Auch des Ehebrechers Auge lauert auf die Abenddämmerung, indem
- er sagt: Kein Auge kann mich dann erspähen. Und eine Hülle legt
- er aufs Gesicht. $16$ Man bricht im Dunkeln in die Häuser
- ein. Bei Tage schlieβen sie sich ein, Licht kennen sie nicht.
- $17$ Denn ihnen allen miteinander [gilt] als Morgen die
- Finsternis; ja, [jeder von ihnen] kennt die Schrecken der
- Finsternis.
-
- $18$ Leicht [treibt] er [dahin wie] auf der Oberfläche des
- Wassers, verflucht wird ihr Feld auf Erden; nicht [mehr] schlägt
- er den Weg zu den Weinbergen ein. $19$ Dürre und Hitze raffen
- Schneewasser weg; [so] der Scheol [alle], die gesündigt haben.
- $20$ Ihn vergiβt der Mutterleib. Gewürm labt sich an ihm, nie
- mehr wird seiner gedacht - so muβ das Unrecht wie Holz
- zerbrechen -, $21$ er, der sich mit der Unfruchtbaren
- eingelassen hatte, die nicht gebiert, und der Witwe nichts Gutes
- erwies. $22$ [Gott] erhält durch seine Kraft den Mächtigen am
- Leben; der steht auf, auch [wenn] er [schon] des Lebens nicht
- mehr sicher war. $23$ Er gibt ihm Sicherheit, und der weiβ
- sich gestützt. Und seine Augen [wachen] über ihren Wegen.
- $24$ Sie kommen hoch - ein wenig, dann ist es aus. Sie werden
- erniedrigt, wie alle [andern] zusammengerafft und wie der Kopf
- der Ähre abgeschnitten. $25$ Ist es denn nicht so? Wer will
- mich Lügen strafen und meine Rede zunichte machen?
-
- \25\
- Dritte Rede des Bildad: Keine Gerechtigkeit der Menschen vor
- Gott.
-
- $1$ Und Bildad, der Schuchiter, antwortete und sagte:
-
- $2$ Herrschaft und Schrecken sind bei ihm, der Frieden
- schafft in seinen Höhen. $3$ Gibt es eine Zahl für seine
- Scharen? Und über wem erhebt sich nicht sein Licht? $4$ Wie
- könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott, und wie könnte rein
- dastehen ein von der Frau Geborener? $5$ Siehe, selbst der
- Mond scheint nicht hell, und die Sterne sind nicht rein in
- seinen Augen, $6$ geschweige denn der Mensch, die Made, und
- das Menschenkind, der Wurm!
-
- \26\
- Hiobs Antwort: Anerkenntnis der unfaβbaren Majestät Gottes.
-
- $1$ Und Hiob antwortete und sagte:
-
- $2$ Wie hast du doch dem beigestanden, der keine Kraft hat,
- hast dem Arm geholfen, der nicht stark ist! $3$ Wie hast du
- den beraten, der keine Weisheit hat, und Gelingen in Fülle
- geoffenbart! $4$ Wem hast du [denn deine] Worte mitgeteilt,
- und wessen Geist ist von dir ausgegangen?
-
- $5$ [Vor Gott] beben die Schatten unter den Wassern und ihren
- Bewohnern. $6$ Nackt [liegt] der Scheol vor ihm, und keine
- Hülle hat der Abgrund. $7$ Er spannt den Norden aus über der
- Leere, hängt die Erde auf über dem Nichts. $8$ In seine
- Wolken bindet er die Wasser ein, daβ unter ihnen das Gewölk
- nicht reiβt. $9$ Er versperrt den Anblick [seines] Thrones,
- indem er sein Gewölk darüber ausbreitet. $10$ Eine Schranke
- hat er als Kreis über der Fläche der Wasser gezogen bis zum
- äuβersten Ende von Licht und Finsternis. $11$ Die Säulen des
- Himmels wanken und erstarren vor seinem Drohen. $12$ Durch
- seine Kraft hat er das Meer erregt und durch seine Einsicht
- Rahab zerschmettert. $13$ Durch seinen Hauch wird der Himmel
- heiter, seine Hand hat die schnelle Schlange durchbohrt. $14$
- Siehe, das sind die Säume seiner Wege; und wie wenig hören wir
- von ihm! Doch den Donner seiner Machttaten, wer versteht ihn?
-
- \27\
- Hiobs Schluβrede: Beteuerung seiner Unschuld - Vergängliches
- Glück der Gottlosen.
-
- $1$ Und Hiob fuhr fort, seinen Spruch zu erheben, und sagte:
-
- $2$ So wahr Gott lebt, der mir mein Recht entzogen, und der
- Allmächtige, der meine Seele bitter gemacht hat, - $3$ ja,
- solange noch irgend etwas von meinem Atem in mir ist und Gottes
- Hauch in meiner Nase -: $4$ Wenn meine Lippen Unrecht reden
- und wenn meine Zunge Trug ausspricht! $5$ Fern sei es von
- mir, euch recht zu geben. Bis ich verscheide, lasse ich meine
- Rechtschaffenheit nicht von mir weichen. $6$ An meiner
- Gerechtigkeit halte ich fest und werde sie nicht fahren lassen;
- mein Herz schmäht nicht einen von meinen Tagen. $7$ Meinem
- Feind ergehe es wie dem Gottlosen und [dem], der gegen mich
- auftritt, wie dem Übeltäter. $8$ Denn was ist des Ruchlosen
- Hoffnung, wenn sein Leben ein Ende findet, wenn Gott seine Seele
- nimmt? $9$ Wird Gott sein Hilfegeschrei hören, wenn die Not
- über ihn kommt? $10$ Oder wird er an dem Allmächtigen seine
- Lust haben, Gott anrufen zu jeder Zeit?
-
- $11$ Ich will euch belehren über Gottes Tun, was der
- Allmächtige im Sinn hat, nicht verhehlen. $12$ Siehe, ihr
- selbst habt es alle geschaut, warum denn schwatzt ihr so
- nichtiges Zeug? $13$ Dies ist das Los des gottlosen Menschen
- bei Gott und das Erbe der Gewalttätigen, das sie vom
- Allmächtigen empfangen: $14$ Wenn seine Söhne zahlreich
- werden, dann für das Schwert, und seine Spröβlinge können sich
- nicht satt essen an Brot. $15$ Seine Übriggebliebenen werden
- vom Tod begraben, und seine Witwen weinen nicht. $16$ Wenn er
- [auch] Silber aufschüttet wie Staub und Kleider aufstapelt wie
- Lehm, - $17$ er stapelt sie [zwar] auf, aber der Gerechte
- bekleidet sich [damit], und das Silber teilt der Schuldlose auf.
- $18$ Er hat sein Haus gebaut wie die Motte und der Laubhütte
- gleich, die ein Wächter [sich] macht. $19$ Reich legt er sich
- hin, und nichts ist ihm genommen. Er schlägt die Augen auf, da
- ist es nicht mehr. $20$ Wie Wasser erreichen ihn jähe
- Schrecken, des Nachts entführt ihn ein Sturmwind. $21$ Der
- Ostwind hebt ihn empor, daβ er dahinfährt, und reiβt ihn weg von
- seiner Stätte. $22$ Er stürzt sich auf ihn ohne Schonung; vor
- seiner Gewalt will er flüchtend entfliehen. $23$ Man klatscht
- über ihn in die Hände und pfeift seinetwegen von seiner Stätte
- aus.
-
- \28\
- Natürlicher Zugang zu den Schätzen der Erde, aber kein Zugang
- zur Weisheit als nur durch Gottesfurcht.
-
- $1$ Ja, für Silber gibt es einen Fundort und eine Stelle für
- Gold, wo man es auswäscht. $2$ Eisen wird aus dem Erdreich
- hervorgeholt, und Gestein schmilzt man zu Kupfer. $3$ Man
- setzt der Finsternis ein Ende und durchforscht bis zur äuβersten
- Grenze das Gestein der Dunkelheit und Finsternis. $4$ Man
- bricht einen Schacht fern von dem [droben] Wohnenden. Vergessen
- von dem Fuβ [, der oben geht], baumeln sie, fern von den
- Menschen schweben sie. $5$ Die Erde, aus der das Brot
- hervorkommt, ihr Unteres wird umgewühlt wie vom Feuer. $6$
- Ihr Gestein ist die Fundstätte des Saphirs, und Goldstaub
- [findet sich] darin. $7$ Ein Pfad, den der Raubvogel nicht
- kennt und den das Auge der Königsweihe nicht erblickt hat, -
- $8$ nie hat das stolze Wild ihn je betreten, der Löwe ist auf
- ihm nicht geschritten. $9$ Nach dem harten Gestein streckt
- man seine Hand aus, wühlt die Berge um von Grund auf. $10$ In
- die Felsen treibt man Stollen, und allerlei Kostbares sieht das
- Auge. $11$ Die Sickerstellen von Wasseradern dämmt man ein,
- und Verborgenes zieht man hervor ans Licht.
-
- $12$ Aber die Weisheit, wo kann man sie finden, und wo ist
- denn die Fundstätte der Einsicht? $13$ Kein Mensch erkennt
- ihren Wert, und im Land der Lebendigen wird sie nicht gefunden.
- $14$ Die Tiefe sagt: In mir ist sie nicht! - und das Meer
- sagt: Nicht bei mir! $15$ Geläutertes Gold kann für sie nicht
- gegeben und Silber nicht abgewogen werden als Kaufpreis für sie.
- $16$ Sie wird nicht aufgewogen mit Gold aus Ofir, mit
- kostbarem Schoham-Stein oder Saphir. $17$ Gold und Glas sind
- ihr nicht vergleichbar, noch läβt sie sich eintauschen gegen ein
- goldenes Gerät. $18$ Korallen und Bergkristall brauchen gar
- nicht erwähnt zu werden; und ein Beutel [voller] Weisheit ist
- mehr [wert] als [ein Beutel voller] Perlen. $19$ Nicht
- vergleichbar mit ihr ist Topas aus Kusch; mit dem reinsten Gold
- wird sie nicht aufgewogen. $20$ Die Weisheit nun, woher kommt
- sie, und wo denn ist die Fundstätte der Einsicht? $21$
- Verhüllt ist sie vor den Augen alles Lebendigen, und vor den
- Vögeln des Himmels ist sie verborgen. $22$ Der Abgrund und
- der Tod sagen: [Nur] vom Hörensagen haben wir mit unsern Ohren
- von ihr gehört.
-
- $23$ Gott ist es, der Einsicht hat in ihren Weg, und er kennt
- ihre Stätte. $24$ Denn nur er blickt bis zu den Enden der
- Erde. Unter dem ganzen Himmel schaut er aus, $25$ um dem Wind
- ein Gewicht zu bestimmen; und die Wasser begrenzte er mit einem
- Maβ. $26$ Als er dem Regen eine Ordnung bestimmte und einen
- Weg der donnernden Gewitterwolke, $27$ da sah er sie und
- verkündigte sie, er stellte sie hin und erforschte sie auch.
- $28$ Und zu dem Menschen sprach er: Siehe, die Furcht des
- Herrn, sie ist Weisheit, und vom Bösen weichen, [das] ist
- Einsicht.
-
- \29\
- Hiobs Selbstgespräch: Sein früheres Glück, Gottes Segen und
- Anerkennung seitens der Menschen.
-
- $1$ Und Hiob fuhr fort, seinen Spruch zu erheben, und sagte:
-
- $2$ O daβ ich wäre wie in den früheren Monaten, wie in den
- Tagen, da Gott mich behütete! - $3$ als seine Leuchte über
- meinem Haupt schien, als ich bei seinem Licht durch die
- Finsternis ging; $4$ wie ich war in den Tagen meiner Jugend,
- als über meinem Zelt Gottes Rat [waltete], $5$ als der
- Allmächtige noch mit mir war, meine Söhne mich umgaben; $6$
- als meine Schritte sich in Dickmilch badeten, und der Fels neben
- mir Bäche von Öl ausgoβ! $7$ Ging ich durch das Tor in die
- Stadt hinauf, stellte ich meinen Sitz auf dem [öffentlichen]
- Platz auf. $8$ Sahen mich [dann] die jungen Männer, so
- verbargen sie sich, und die Greise erhoben sich, blieben stehen.
- $9$ Die Obersten hielten die Worte zurück und legten die Hand
- auf ihren Mund. $10$ Die Stimme der führenden Männer
- verstummte, und ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen. $11$ Hörte
- [mich] ein Ohr, so pries es mich glücklich, und sah [mich] ein
- Auge, so legte es Zeugnis für mich ab. $12$ Denn ich befreite
- den Elenden, der um Hilfe rief, und die Waise, die keinen Helfer
- hatte. $13$ Der Segenswunsch des Mutlosen kam auf mich, und
- das Herz der Witwe lieβ ich jauchzen. $14$ Ich kleidete mich
- in Gerechtigkeit, mich bekleidete wie ein Oberkleid und Kopfbund
- mein Recht. $15$ Auge wurde ich dem Blinden, und Fuβ dem
- Lahmen war ich! $16$ Ein Vater war ich für die Armen, und den
- Rechtsstreit dessen, den ich nicht kannte, untersuchte ich.
- $17$ Und ich zerschmetterte die Kinnladen des Übeltäters, und
- seinen Zähnen entriβ ich die Beute. $18$ Und ich sagte [mir]:
- Mit meinem Nest werde ich verscheiden und wie der Phönix meine
- Tage zahlreich machen. $19$ Meine Wurzel wird geöffnet sein
- zum Wasser hin, und der Tau wird auf meinem Gezweig übernachten.
- $20$ Meine Ehre wird frisch bei mir bleiben, und mein Bogen
- in meiner Hand wird sich verjüngen.
-
- $21$ Man hörte mir zu und wartete und verhielt sich still
- gegenüber meinem Rat. $22$ Hatte ich geredet, so sagte man
- nichts mehr [dagegen], und auf sie träufelte meine Rede. $23$
- Und sie warteten auf mich wie auf Regen und sperrten ihren Mund
- auf [wie] nach Spätregen. $24$ Lächelte ich denen zu, die
- kein Vertrauen hatten, dann nahmen sie das Leuchten meines
- Gesichts auf. $25$ Ich wählte für sie den Weg aus und saβ als
- Haupt und thronte wie ein König unter der Kriegsschar wie einer,
- der Trauernde tröstet.
-
- \30\
- Sein jetziges Elend, Verachtung durch die Menschen, Gottes
- feindliche Gesinnung - Berechtigung zur Klage.
-
- $1$ Jetzt aber lachen sie über mich, die jünger sind als ich
- an Jahren, bei denen ich es abgelehnt hätte, ihre Väter den
- Hunden meiner Herde beizugesellen. $2$ Wozu sollte mir auch
- die Kraft ihrer Hände [dienen]? Die Rüstigkeit ist bei ihnen
- [jedoch] verloren. $3$ Durch Mangel und Hunger unfruchtbar -
- sie, die die [Wurzeln der] Wüste abnagen - sind sie Menschen der
- Öde und Verödung [geworden], $4$ sie, die Salzkraut pflücken
- am Gesträuch und deren Brot die Ginsterwurzel ist. $5$ Aus
- der Gemeinschaft werden sie vertrieben. Man schreit über sie wie
- über den Dieb. $6$ Am Abhang der Bachtäler müssen sie wohnen,
- in Erdlöchern und Felsen[höhlen]. $7$ Zwischen Sträuchern
- schreien sie, unter Unkraut finden sie sich zusammen. $8$
- Gottloses Volk, ja, Gesindel ohne Namen, sind sie aus dem Land
- hinausgepeitscht worden.
-
- $9$ Und nun bin ich ihr Spottlied geworden, ich wurde für sie
- zum Gerede. $10$ Sie verabscheuen mich, haben sich von mir
- entfernt, und nicht mit Speichel für mein Gesicht gespart.
- $11$ Denn er hat meine Bogensehne gelöst und mich gedemütigt,
- so daβ sie vor mir den Zügel schieβen lassen. $12$ Zu meiner
- Rechten erhebt sich die Brut. Sie stoβen meine Füβe weg und
- schütten gegen mich ihre Unheilsdämme auf. $13$ Sie reiβen
- meinen Pfad auf, helfen zu meinem Untergang, und niemand hält
- sie dabei auf. $14$ Wie durch eine breite Bresche kommen sie,
- unter Krachen wälzen sie sich heran. - $15$ Plötzlicher
- Schrecken hat sich gegen mich gewandt, er jagt wie der Wind
- meiner Würde nach; und wie eine Wolke ist meine Rettung
- vorübergezogen.
-
- $16$ Und nun zerflieβt in mir meine Seele, die Tage des
- Elends packen mich. $17$ Nachts bohrt es mir meine Knochen
- aus, und die an mir nagenden [Schmerzen] ruhen nicht. $18$
- Mit gewaltiger Kraft packt er mein Gewand, wie der Kragen meines
- Leibrocks schnürt er mich ein. $19$ Er hat mich in den Dreck
- geworfen, so daβ ich dem Staub und der Asche gleich geworden
- bin. $20$ Ich schreie zu dir, und du antwortest mir nicht.
- Ich stehe da, doch du achtest nicht auf mich. $21$ In einen
- Grausamen verwandelst du dich mir, mit der Stärke deiner Hand
- feindest du mich an. $22$ Du hebst mich auf den Wind, du läβt
- mich [auf ihm] reiten und mich zergehen im Krachen [des
- Gewitters]. $23$ Denn ich habe es erkannt, zum Tod führst du
- mich zurück und in das Versammlungshaus aller Lebendigen.
-
- $24$ Doch streckt man unter Trümmern nicht die Hand [nach
- Rettung] aus, oder [erhebt man] bei seinem Untergang [nicht] ein
- Hilfegeschrei deswegen? $25$ Oder weinte ich nicht über den,
- der harte Tage hatte, hatte meine Seele mit dem Armen [denn
- kein] Mitgefühl? $26$ Ja, Gutes erwartete ich, und es kam
- Böses. Und ich harrte auf Licht, und es kam Dunkelheit. $27$
- Meine Eingeweide sind zum Sieden gebracht und haben keine Ruhe.
- Tage des Elends sind mir entgegengetreten. $28$ Trauernd gehe
- ich einher ohne Sonne. Ich stehe auf in der Versammlung [und]
- schreie um Hilfe. $29$ Ich bin ein Bruder geworden den
- Schakalen und ein Gefährte den Strauβenhennen. $30$ Meine
- Haut ist schwarz geworden [und löst sich] von mir ab, und mein
- Gebein brennt vor [Fieber]hitze. $31$ Und so ist meine Zither
- zur Trauerklage geworden und meine Flöte zur Stimme der
- Weinenden.
-
- \31\
- Sein unsträfliches Verhalten gegen Gott und Menschen -
- Bereitschaft mit Gott zu rechten.
-
- $1$ Einen Bund habe ich mit meinen Augen geschlossen. Wie
- hätte ich da auf eine Jungfrau [lüstern] blicken sollen? $2$
- Denn was wäre [dafür] die Zuteilung von Gott droben gewesen und
- das Erbteil vom Allmächtigen in den Höhen? $3$ Ist nicht
- Verderben für den Übeltäter [bestimmt] und Miβgeschick für die,
- die Unrecht tun? $4$ Sieht er nicht meine Wege und zählt alle
- meine Schritte?
-
- $5$ Wenn ich mit Gehaltlosem umgegangen bin und mein Fuβ zum
- Betrug geeilt ist, - $6$ er soll mich auf der Waage der
- Gerechtigkeit wiegen, so wird Gott meine Rechtschaffenheit
- erkennen! $7$ Wenn mein Schritt vom Weg abgebogen und mein
- Herz meinen Augen gefolgt ist und an meinen Händen ein Makel
- klebt, $8$ dann möge ich säen und ein anderer essen, und
- meine Spröβlinge mögen entwurzelt werden!
-
- $9$ Wenn mein Herz sich wegen einer Frau hat betören lassen
- und ich an der Tür meines Nächsten gelauert habe, $10$ [dann]
- soll meine Frau für einen anderen mahlen, und andere mögen über
- ihr niederknien! $11$ Denn das wäre eine Schandtat und das
- eine Schuld, die vor die Richter gehört. $12$ Ja, ein Feuer
- wäre es, das bis zum Untergang fräβe und meinen ganzen Ertrag
- entwurzeln würde.
-
- $13$ Wenn ich miβachtet habe das Recht meines Knechtes und
- meiner Magd in ihrem Rechtsstreit mit mir, $14$ was wollte
- ich dann tun, wenn Gott sich erhöbe; und wenn er untersuchte,
- was ihm erwidern? $15$ Hat nicht er, der mich im Mutterleib
- gemacht hat, [auch] ihn gemacht, und hat nicht einer im
- Mutterschoβ uns bereitet?
-
- $16$ Wenn ich Geringen einen Wunsch verweigert habe, die
- Augen der Witwe erlöschen lieβ $17$ und meinen Bissen alleine
- aβ, so daβ die Waise nichts [mehr] davon essen konnte - $18$
- ist sie doch von meiner Jugend an bei mir aufgewachsen wie [bei]
- einem Vater, und wie eine Schwester habe ich sie geleitet -,
- $19$ wenn ich [ruhig] zusah, wie einer ohne Kleidung
- umherirrte und der Arme keine Decke hatte, $20$ wenn seine
- Lenden mich nicht segneten und er sich von der Wolle meiner
- Lämmer nicht wärmen durfte, $21$ wenn ich [drohend] meine
- Hand gegen eine Waise geschwungen habe, weil ich im Tor meinen
- Beistand sah, $22$ dann soll mir meine Schulter vom Nacken
- fallen, und mein Arm soll vom Gelenk abbrechen! $23$ Denn
- schrecklich wäre mir das Verderben Gottes, und seiner Hoheit
- könnte ich nicht standhalten.
-
- $24$ Wenn ich das Gold zu meiner Zuversicht gemacht und zum
- feinen Gold gesagt habe: Du meine Hoffnung! $25$ Wenn ich
- mich freute, daβ mein Vermögen so umfangreich war und daβ meine
- Hand Gewaltiges erreicht hatte! $26$ Wenn ich das Licht [der
- Sonne] sah, wie sie es leuchten lieβ, und den Mond, wie er
- prächtig daherzog, $27$ und mein Herz sich [dann] im Geheimen
- betören lieβ und ich Kuβhände warf! $28$ Auch das ist Schuld,
- die vor den Richter gehört! Ich hätte ja Gott droben verleugnet.
-
- $29$ Wenn ich mich freute über den Untergang meines Hassers
- und aufjauchzte, als Unglück ihn traf! $30$ Nie habe ich ja
- meinem Gaumen erlaubt zu sündigen, mit einem Fluch dessen Seele
- zu fordern.
-
- $31$ Wenn die Männer in meinem Zelt nicht bezeugt haben: Wer
- wäre wohl nicht von seinem Fleisch satt geworden! $32$ Der
- Fremde muβte nicht im Freien übernachten, ich öffnete dem
- Wanderer meine Tür.
-
- $33$ Wenn ich wie Adam meine Vergehen zugedeckt habe, um
- meine Schuld in meiner Brust zu verbergen, $34$ weil ich etwa
- erschrocken gewesen wäre [vor] der groβen Menge und die
- Verachtung der Sippen mich niedergeschmettert hätte, so daβ ich
- mich still verhalten hätte, nicht zur Türe hinausgegangen wäre!
-
- $35$ Ach hätte ich doch einen, der auf mich hörte, - hier ist
- meine Unterschrift! Der Allmächtige antworte mir! [Wo ist] die
- [Klage]schrift, die mein Rechtsgegner geschrieben hat? $36$
- Wahrlich, ich würde sie auf meine Schulter heben, sie mir um
- [den Kopf] winden als Kranz. $37$ Ich würde ihm über die Zahl
- meiner Schritte Auskunft geben, wie ein Fürst würde ich ihm
- nahen.
-
- $38$ Wenn gegen mich mein Ackerboden Anklage erhob und seine
- Furchen miteinander weinten, $39$ wenn ich seinen Ertrag,
- ohne zu bezahlen, verzehrt habe und die Seele seiner Besitzer
- zum Keuchen brachte, $40$ [dann] soll statt Weizen
- Dorngestrüpp hervorkommen und anstelle von Gerste Unkraut!
-
- Zu Ende sind die Worte Hiobs.
-
- \32\
- Erste Rede des Elihu: Bisherige Zurückhaltung und
- Unparteilichkeit - Aufforderung an Hiob zur Stellungnahme.
-
- $1$ Und jene drei Männer hörten auf, dem Hiob zu antworten,
- weil er in seinen Augen gerecht war. $2$ Da entbrannte der
- Zorn Elihus, des Sohnes Barachels, des Busiters, von der Sippe
- Ram. Gegen Hiob entbrannte sein Zorn, weil er sich Gott
- gegenüber im Recht betrachtete. $3$ Und gegen seine drei
- Freunde entbrannte sein Zorn, weil sie keine Antwort gefunden
- und Hiob [doch] für schuldig erklärt hatten. $4$ Elihu aber
- hatte sich Hiob gegenüber zurückgehalten mit Reden, weil jene
- die älteren an Jahren waren als er. $5$ Und als Elihu sah,
- daβ keine Antwort [mehr] in dem Mund der drei Männer war, da
- entbrannte sein Zorn. $6$ Und Elihu, der Sohn des Barachel,
- der Busiter, hob an und sagte:
-
- Ich bin der Jüngste an Jahren, und ihr seid Greise. Darum hatte
- ich Angst und fürchtete mich, euch mein Wissen zu verkünden.
- $7$ Ich sagte [mir]: Mag [erst] das Alter reden, soll die
- Menge der Jahre Weisheit erkennen lassen! $8$ Jedoch - es ist
- der Geist im Menschen und der Atem des Allmächtigen, der sie
- verständig werden läβt. $9$ Nicht [nur] die Betagten sind die
- Weisen, noch verstehen [stets] die Alten, was recht ist. $10$
- Darum sage ich: Hört mir zu! Auch ich will mein Wissen
- verkünden. $11$ Siehe, ich wartete auf eure Worte, horchte
- auf eure einsichtigen [Reden], bis ihr [die rechten] Worte
- ausfindig gemacht hättet. $12$ Und ich wandte euch meine
- Aufmerksamkeit zu, doch siehe, keiner war da, der Hiob widerlegt
- hätte, [keiner] von euch, der seine Worte erwidert hätte.
- $13$ Daβ ihr [aber ja] nicht sagt: Wir haben Weisheit
- gefunden; Gott kann ihn aus dem Felde schlagen, nicht ein
- Mensch! $14$ Er hat ja nicht an mich [seine] Worte gerichtet,
- und mit euren Worten werde ich ihm nicht erwidern. - $15$ Sie
- sind bestürzt, sie antworten nicht mehr, die Worte lassen sie im
- Stich. $16$ Soll ich da warten, weil sie nicht reden, weil
- sie dastehen [und] nicht mehr antworten? $17$ Auch ich will
- meinerseits mein Teil erwidern, auch ich will mein Wissen
- verkünden. $18$ Denn erfüllt bin ich mit Worten; der Geist in
- meinem Innern bedrängt mich. $19$ Siehe, mein Inneres ist wie
- [junger] Wein, der nicht geöffnet ist; gleich neu [gefüllten]
- Schläuchen will es bersten. $20$ Ich muβ reden, damit ich
- Luft bekomme, ich will meine Lippen auftun und antworten.
- $21$ Für keinen werde ich Partei ergreifen, und keinem
- Menschen werde ich schmeicheln! $22$ Denn ich verstehe mich
- nicht aufs Schmeicheln ; sonst würde mein Schöpfer mich [wohl]
- bald dahinraffen.
-
- \33\
-
- $1$ Du aber, Hiob, höre doch meine Reden, und all meine Worte
- nimm zu Ohren! $2$ Sieh doch, ich habe meinen Mund aufgetan,
- meine Zunge redet in meinem Gaumen. $3$ Geradheit meines
- Herzens - [das] sind meine Worte, und lauter künden meine Lippen
- Erkenntnis. $4$ Der Geist Gottes hat mich gemacht, und der
- Atem des Allmächtigen belebt mich. $5$ Wenn du kannst, gib
- mir Antwort, bring [sie] vor, stelle dich vor mich hin! $6$
- Siehe, ich bin vor Gott soviel wie du, vom Lehm [nur]
- abgekniffen bin auch ich. $7$ Siehe, Angst vor mir braucht
- dich nicht zu erschrecken, und mein Drängen wird nicht schwer
- auf dir lasten.
-
- \33\
- Abwehr der Anklagen Hiobs gegen Gott - Gottes Zucht zum Heil der
- Seele - Aufforderung zur Stellungnahme oder zum Zuhören.
-
- $8$ Du sagtest doch vor meinen Ohren - und den Laut [deiner]
- Worte höre ich [noch] -: $9$ Lauter bin ich, ohne ein
- Vergehen. Rein bin ich und habe keine Schuld. $10$ Siehe, er
- erfindet Anlässe zum Widerstand gegen mich, er hält mich für
- seinen Feind. $11$ Er legt meine Füβe in den Block, überwacht
- alle meine Pfade. - $12$ Siehe, darin bist du nicht im Recht,
- antworte ich dir; denn Gott ist gröβer als ein Mensch.
-
- $13$ Warum rechtest du mit ihm, weil er auf all seine Worte
- keine Antwort gibt? $14$ Doch auf eine Weise redet Gott und
- auf eine zweite, und man wird es nicht gewahr. $15$ Im Traum,
- im Nachtgesicht, wenn tiefer Schlaf auf die Menschen fällt, im
- Schlummer auf dem Lager, $16$ dann öffnet er das Ohr der
- Menschen und bestätigt die Warnung für sie, $17$ um den
- Menschen von [seinem] Tun abzuwenden und den Hochmut vom Mann
- abzuhauen, $18$ um seine Seele zurückzuhalten von der Grube
- und sein Leben davon, in den Spieβ zu rennen.
-
- $19$ Auch wird er gezüchtigt durch Schmerzen auf seinem
- Lager, und ununterbrochen [währt] der Streit in seinen Gebeinen.
- $20$ Und sein Leben verabscheut das Brot und seine Seele die
- Lieblingsspeise. $21$ Sein Fleisch vergeht, ist unansehnlich,
- und fleischlos sind seine Knochen, die [sonst] nicht zu sehen
- waren. $22$ Und seine Seele nähert sich der Grube und sein
- Leben den Todesboten.
-
- $23$ Wenn er da einen Engel bei sich hat, einen Mittler,
- einen von den Tausend, der dem Menschen seine Pflicht mitteilen
- soll, $24$ so wird der sich über ihn erbarmen und sprechen:
- Befreie ihn, damit er nicht in die Grube hinabfährt! Ich habe
- Lösegeld [für ihn] gefunden. $25$ Sein Fleisch wird frischer
- sein als in der Jugendkraft; er wird zurückkehren zu den Tagen
- seiner Jugend. $26$ Er wird zu Gott flehen, und der wird ihn
- gnädig annehmen, und er darf sein Angesicht schauen mit Jubel;
- und Gott wird dem Menschen seine Gerechtigkeit zurückgeben.
- $27$ Er wird vor den Menschen singen und sagen: Ich hatte
- gesündigt und das Rechte verkehrt, und er hat mir nicht
- vergolten. $28$ Er hat meine Seele erlöst vor dem Abstieg in
- die Grube, und mein Leben darf das Licht schauen.
-
- $29$ Siehe, das alles tut Gott zweimal, dreimal mit dem Mann,
- $30$ um seine Seele von der Grube zurückzuholen, damit er vom
- Licht des Lebens erleuchtet werde. $31$ Merke auf, Hiob, höre
- mir zu! Schweige, und ich will reden! $32$ Wenn du Worte
- hast, erwidere mir [etwas]! Rede nur, denn ich wollte dir gern
- recht geben! $33$ Wenn [aber] nicht, höre du mir zu!
- Schweige, und ich werde dich Weisheit lehren!
-
- \34\
- Zweite Rede des Elihu: Gegen Hiobs Reden über die
- Ungerechtigkeit Gottes - Keine Rechtsbeugung durch den
- Allmächtigen.
-
- $1$ Und Elihu erhob [seine Stimme] und sagte:
-
- $2$ Hört, ihr Weisen, meine Worte und ihr Kundigen, gebt mir
- Gehör! $3$ Denn das Ohr prüft die Worte, und der Gaumen
- kostet die Speise. $4$ Laβt uns nun prüfen, was recht ist,
- laβt uns untereinander erkennen, was gut ist!
-
- $5$ Denn Hiob hat gesagt: Ich bin gerecht, und Gott hat mir
- mein Recht entzogen. $6$ Obwohl ich im Recht bin, soll ich
- ein Lügner sein. Mein Geschick ist unheilbar, ohne daβ ich
- irgend etwas verbrochen hätte. - $7$ Wer ist ein Mann wie
- Hiob, der Spott[worte] wie Wasser trinkt $8$ und in
- Gemeinschaft mit denen unterwegs ist, die Unrecht tun, und mit
- gottlosen Menschen umgeht? $9$ Denn er hat [selbst] gesagt:
- Keinen Nutzen hat ein Mann davon, daβ er sich mit Gott
- befreundet!
-
- $10$ Darum, ihr Männer mit Verstand, hört mir zu! Fern sei es
- von Gott, gottlos zu handeln, und vom Allmächtigen, Unrecht zu
- tun! $11$ Sondern des Menschen Tun vergilt er ihm, und nach
- eines jeden Weg läβt er es ihn finden. $12$ Ja, wahrlich,
- Gott handelt nicht gottlos, und der Allmächtige beugt das Recht
- nicht. $13$ Wer hat ihm die Erde anvertraut? Und wer hat den
- ganzen Erdkreis hingestellt? $14$ Wenn er sein Herz [nur] auf
- sich selbst richtete, seinen Geist und seinen Atem zu sich
- zurückzöge, $15$ so würde alles Fleisch insgesamt
- verscheiden, und der Mensch zum Staub zurückkehren.
-
- $16$ Und wenn du einsichtig bist, höre dies, schenke der
- Stimme meiner Worte Gehör! $17$ Kann denn einer, der das
- Recht haβt, die Zügel führen? Oder willst du den Gerechten, den
- Gewaltigen für schuldig erklären, ihn, $18$ der zu einem
- König sagt `du Ruchloser', und `du Gottloser' zu den Edlen?
- $19$ Der für die Obersten nicht Partei ergreift und den
- Vornehmen nicht vor dem Geringen berücksichtigt? Denn das Werk
- seiner Hände sind sie alle. $20$ In einem Augenblick sterben
- sie und mitten in der Nacht. Ein Volk wird in Aufruhr versetzt,
- und sie vergehen. Und er beseitigt den Gewalthaber ohne
- menschliches Zutun. $21$ Denn seine Augen [wachen] über den
- Wegen des Menschen, und all seine Schritte sieht er. $22$ Da
- ist keine Dunkelheit und keine Finsternis, worin sich die
- Übeltäter verbergen könnten. $23$ Denn er setzt dem Menschen
- keine Frist fest, zu Gott vor Gericht zu kommen. $24$ Er
- zerschmettert Gewaltige ohne Untersuchung und setzt andere an
- ihre Stelle. $25$ Daher achtet er auf ihre Taten und stürzt
- sie um über Nacht, daβ sie zermalmt daliegen. $26$ Wie
- Gottlose schlägt er sie da, wo alle es sehen, $27$ deshalb,
- weil sie von seiner Nachfolge abgewichen sind und all seine Wege
- nicht bedacht haben, $28$ so daβ sie das Hilfegeschrei des
- Geringen zu ihm hinaufdringen lieβen und er das Hilfegeschrei
- der Elenden hörte. $29$ Verhält er sich ruhig, wer darf ihn
- für schuldig erklären? Verbirgt er das Angesicht, wer kann ihn
- wahrnehmen? Sowohl über einer [ganzen] Nation als auch zugleich
- über dem einzelnen [wacht er], $30$ damit nicht ruchlose
- Menschen Könige seien, dem Volk zu Fallstricken.
-
- $31$ Soll Gott dir etwa sagen: Ich habe mich geirrt, [doch]
- ich will nicht [mehr] böse handeln; $32$ was ich nicht sehe,
- lehre du mich; wenn ich Unrecht verübt habe, will ich es nicht
- wieder tun? - $33$ Soll nach deinem Sinn er es vergelten, da
- du [sein Urteil] ja verwirfst? So muβt du ja wählen, und nicht
- ich. Was du erkannt hast, sprich aus! $34$ Männer mit
- Verstand werden zu mir sagen und ein weiser Mann, der mir
- zuhört: $35$ Hiob redet nicht mit Erkenntnis, und seine Worte
- sind ohne Einsicht. $36$ Wohlan, Hiob werde fort und fort
- geprüft wegen seiner Einwände nach [der Art von] Männern des
- Unheils! $37$ Denn er fügt seiner Sünde Treubruch hinzu, in
- unserer Gegenwart klatscht er [sich Beifall] und macht seine
- Worte gegen Gott zahlreich.
-
- \35\
- Dritte Rede des Elihu: Bedeutung des Tuns des Menschen - Keine
- Erhörung bei Gott bei Mangel an Gottesfurcht.
-
- $1$ Und Elihu erhob [seine Stimme] und sagte:
-
- $2$ Hältst du dies für Recht, nennst du [das] `meine
- Gerechtigkeit vor Gott', $3$ wenn du fragst, was sie dir
- nützt: `Was hilft es mir, daβ ich nicht sündige?' - $4$ Ich
- will mit Worten dir erwidern und deinen Gefährten bei dir.
- $5$ Blicke zum Himmel und sieh und schaue die Wolken an! Sie
- sind höher als du. $6$ Wenn du sündigst, was kannst du ihm
- [damit] antun? Werden zahlreich deine Verbrechen, was kannst du
- ihm zufügen? $7$ Wenn du gerecht bist, was gibst du ihm, oder
- was empfängt er aus deiner Hand? $8$ Den Mann, dir gleich,
- [trifft] deine Gottlosigkeit und das Menschenkind deine
- Gerechtigkeit.
-
- $9$ Wegen der Menge der Unterdrückung erhebt man
- Klagegeschrei. Man ruft um Hilfe wegen der Gewalttätigkeit der
- Groβen. $10$ Aber man sagt nicht: Wo ist Gott, mein Schöpfer,
- der Lobgesänge gibt in der Nacht, $11$ der uns mehr als die
- Tiere der Erde belehrt und uns weiser macht als die Vögel des
- Himmels? $12$ Dort schreien sie - doch er antwortet nicht -
- wegen des Übermutes der Bösen. $13$ Ja, vergebens! Gott hört
- nicht, und der Allmächtige sieht es nicht an. $14$ Nun gar,
- wenn du sagst: du kannst ihn nicht sehen! Der Rechtsfall [liegt]
- ihm vor, so warte auf ihn! $15$ Und nun, weil sein Zorn
- [noch] nicht heimgesucht hat und er sich nicht so sehr um
- Albernheiten kümmert, $16$ reiβt Hiob für Nichtiges seinen
- Mund auf, macht ohne Erkenntnis viel Worte.
-
- \36\
- Vierte Rede des Elihu: Durch Leiden zu Selbsterkenntnis und
- Gehorsam - Mahnung an Hiob zur Anerkennung von Gottes Tun.
-
- $1$ Und Elihu fuhr fort und sagte:
-
- $2$ Hab ein wenig Geduld mit mir, und ich will es dir künden!
- Denn mehr noch habe ich für Gott zu sagen. $3$ Ich will mein
- Wissen von weither holen und meinem Schöpfer Gerechtigkeit
- geben. $4$ Ja wahrlich, meine Worte sind keine Lüge; ein
- [Mann] mit vollkommenem Wissen [steht] vor dir.
-
- $5$ Siehe, Gott ist gewaltig, doch verwirft er niemanden; er
- ist gewaltig an Kraft des Herzens. $6$ Er erhält den
- Gottlosen nicht am Leben, und das Recht der Elenden stellt er
- [wieder] her. $7$ Nicht wendet er seine Augen von dem
- Gerechten, und mit Königen auf dem Thron, da läβt er sie
- immerdar sitzen, so daβ sie erhaben sind. $8$ Und wenn sie in
- Fesseln geschlagen, in Stricken des Elends gefangen sind, $9$
- dann zeigt er ihnen ihr Tun und ihre Vergehen, daβ sie sich
- überheblich gebärdeten, $10$ und er öffnet ihr Ohr für Zucht
- und sagt [ihnen], daβ sie umkehren sollen vom Unrecht. $11$
- Wenn sie hören und sich unterwerfen, vollenden sie ihre Tage im
- Glück und ihre Jahre in Annehmlichkeiten. $12$ Wenn sie aber
- nicht hören, rennen sie in den Spieβ und verscheiden ohne
- Erkenntnis. $13$ Aber die ein ruchloses Herz haben, hegen
- Zorn. Sie rufen nicht um Hilfe, wenn er sie fesselt. $14$
- Ihre Seele stirbt dahin in der Jugend und ihr Leben im
- Jünglingsalter. $15$ Den Elenden errettet er in seinem Elend
- und öffnet durch Bedrängnis sein Ohr.
-
- $16$ Auch dich lockt er fort aus dem Rachen der Not,
- unbeengte Weite ist dein Platz, und was auf deinen Tisch kommt,
- ist reich an Fett. $17$ Bist du aber mit dem Urteil über den
- Gottlosen erfüllt, werden Urteil und Rechtsspruch [dich]
- ergreifen. $18$ Ja, daβ [deine] Erregung dich nur nicht zum
- Höhnen anstiftet und die Gröβe des Lösegeldes dich nicht
- verleitet! $19$ Soll dich dein Hilferuf aus der Not
- herausbringen und alle Kraftanstrengungen? $20$ Lechze nicht
- nach der Nacht, [danach], daβ [ganze] Völker auffahren an ihrer
- Stelle! $21$ Hüte dich, wende dich nicht dem Unrecht zu! Denn
- Bosheit hast du dem Elend [bereits] vorgezogen.
-
- $22$ Siehe, Gott handelt erhaben in seiner Macht. Wer ist ein
- Lehrer wie er? $23$ Wer könnte ihm seinen Weg vorschreiben,
- und wer dürfte sagen: Du hast unrecht getan? $24$ Denke
- daran, daβ du sein Werk preist, das Menschen besingen! $25$
- Alle Menschen schauen es [staunend] an, der Sterbliche erblickt
- es aus der Ferne.
-
- \36\
- Offenbarung von Gottes Majestät in der Natur - Mahnung zur
- Demütigung vor Gott.
-
- $26$ Siehe, Gott ist erhaben, wir aber erkennen es nicht; die
- Zahl seiner Jahre, sie ist unerforschlich. $27$ Wenn er die
- Wassertropfen heraufzieht, sickern sie durch seinen Nebel
- [wieder herab] als Regen, $28$ den die Wolken niederrieseln
- [und] träufeln auf die vielen Menschen. $29$ Ja, wenn man gar
- das Ausbreiten des Gewölks verstünde, das Donnerkrachen seines
- Zeltes! $30$ Siehe, er breitet darüber sein Licht aus, und
- die Wurzeln des Meeres bedeckt er. $31$ Ja, in den Wolken
- richtet er die Völker, gibt Nahrung im Überfluβ. $32$ Seine
- Hände umhüllt er mit dem Blitzstrahl und entbietet ihn gegen
- [den], auf den er [ihn] treffen lassen will. $33$ Es kündigt
- ihn sein Rollen an, wenn er seinen Zorn gegen Bosheit eifern
- läβt.
-
- \37\
-
- $1$ Ja, darüber erbebt mein Herz und fährt auf von seiner
- Stelle. $2$ Hört, hört das Toben seiner Stimme und das
- Grollen, das aus seinem Mund hervorgeht! $3$ Unter dem ganzen
- Himmel läβt er es los und seinen Blitz bis zu den Enden der
- Erde. $4$ Nach ihm brüllt der Donner, er läβt es mit seiner
- erhabenen Stimme donnern. Und er hält die Blitze nicht zurück,
- wenn seine Stimme sich hören läβt. $5$ Gott donnert mit
- seiner Stimme wunderbar. Er tut [so] groβe Dinge, und wir
- erkennen es nicht. $6$ Denn zum Schnee spricht er: Fall zur
- Erde! - und [so auch] zum Regenguβ und zu seinen gewaltigen
- Regengüssen. $7$ Auf die Hand eines jeden Menschen setzt er
- [sein] Siegel, damit alle Menschen sein Werk erkennen. $8$
- Und das Wild geht in sein Versteck und legt sich auf seinen
- Lagern nieder. $9$ Aus der Kammer kommt Sturm hervor und aus
- den Nordwinden Kälte. $10$ Durch den Atem Gottes gibt es Eis,
- und die Weite des Wassers [liegt] in Enge. $11$ Auch mit Naβ
- belastet er die Wolke, streut [weit] umher sein lichtes Gewölk.
- $12$ Und das [zieht] ringsumher, sich hin und her wendend
- nach seiner klugen Steuerung, um auszuführen alles, was er ihnen
- gebietet, über der Fläche des Erdkreises. $13$ Sei es zur
- Züchtigung, sei es für seine Erde, sei es zur Gnade, er läβt sie
- es finden.
-
- $14$ Nimm dieses zu Ohren, Hiob! Steh still und achte auf die
- Wundertaten Gottes! $15$ Erkennst du es, wenn Gott ihnen
- Auftrag gibt und leuchten läβt das Licht seines Gewölks? $16$
- Erkennst du das Schweben der Wolke, die Wunderwerke dessen, der
- an Erkenntnis vollkommen ist? $17$ Du, dessen Kleider heiβ
- werden, wenn das Land wegen des Südwindes [träge] ruht, $18$
- kannst du gleich ihm die Wolkendecke ausbreiten, die fest ist
- wie ein gegossener Spiegel? $19$ Laβ uns wissen, was wir ihm
- sagen sollen! Nichts können wir vorbringen vor Finsternis.
- $20$ Soll ihm gemeldet werden, daβ ich rede? Oder muβ man es
- [ihm erst] sagen, daβ [etwas] mitgeteilt wird? $21$ Und jetzt
- sieht man das Licht nicht, das durch die Wolken verdunkelt ist;
- aber ein Wind fährt daher und fegt den Himmel rein. $22$ Aus
- dem Norden kommt ein goldener Schein, um Gott ist furchtbare
- Hoheit. $23$ Den Allmächtigen - ihn erreichen wir nicht, den
- Erhabenen an Kraft. Und das Recht und die Fülle der
- Gerechtigkeit beugt er nicht. $24$ Darum fürchten ihn die
- Menschen; er sieht all die Weisheitskundigen nicht an.
-
- \38\
- Erste Rede Gottes: Fragen nach dem Urheber der Schöpfung, der
- leblosen und belebten Natur.
-
- $1$ Da antwortete der HERR dem Hiob aus dem Sturm und sprach:
-
- $2$ Wer ist es, der den Ratschluβ verdunkelt mit Worten ohne
- Erkenntnis? $3$ Gürte doch wie ein Mann deine Lenden! Dann
- will ich dich fragen, und du sollst mich belehren!
-
- $4$ Wo warst du, als ich die Erde gründete? Teile es mit,
- wenn du Einsicht kennst! $5$ Wer hat ihre Maβe bestimmt, wenn
- du es kennst? Oder wer hat über ihr die Meβschnur ausgespannt?
- $6$ Worauf sind ihre Sockel eingesenkt? Oder wer hat ihren
- Eckstein gelegt, $7$ als die Morgensterne miteinander
- jubelten und alle Söhne Gottes jauchzten?
-
- $8$ Wer hat das Meer mit Türen verschlossen, als es
- hervorbrach, dem Mutterschoβ entquoll, $9$ als ich Gewölk zu
- seinem Gewand machte und Wolkendunkel zu seinen Windeln $10$
- und ich ihm meine Grenze zog und Riegel und Türen einsetzte
- $11$ und sprach: Bis hierher kommst du und nicht weiter, und
- hier soll aufhören der Stolz deiner Wellen?
-
- $12$ Hast du einmal in deinem Leben dem Morgen geboten? Hast
- du die Morgenröte ihre Stätte wissen lassen, $13$ damit sie
- die Enden der Erde erfasse, so daβ die Gottlosen von ihr
- abgeschüttelt werden? $14$ Sie verwandelt sich wie Siegelton,
- und alles steht da wie ein Kleid; $15$ und den Gottlosen wird
- ihr Licht entzogen, und der erhobene Arm wird zerbrochen.
-
- $16$ Bist du gekommen bis zu den Quellen des Meeres, und hast
- du den Urgrund der Tiefe durchwandelt? $17$ Sind dir die Tore
- des Todes aufgedeckt worden, und hast du die Tore der Finsternis
- gesehen? $18$ Hast du auf die Breiten der Erde geachtet?
- Teile es [mir] mit, wenn du das alles erkannt hast!
-
- $19$ Wo ist denn der Weg dahin, wo das Licht wohnt? Und die
- Finsternis - wo ist denn ihre Stätte, $20$ so daβ du sie in
- ihr Gebiet bringen könntest und daβ dir die Pfade zu ihrem Haus
- bekannt wären? $21$ Du hast es [ja] erkannt, denn damals
- warst du [schon] geboren, und die Zahl deiner Tage ist groβ!
-
- $22$ Bist du bis zu den Vorräten des Schnees gekommen, und
- hast du die Vorräte des Hagels gesehen, $23$ die ich
- aufgespart habe für die Zeit der Not, für den Tag des Kampfes
- und der Schlacht?
-
- $24$ Wo denn ist der Weg, auf dem das Licht sich verteilt,
- der Ostwind sich über die Erde zerstreut? $25$ Wer furchte
- der Regenflut einen Wassergraben und einen Weg der donnernden
- Gewitterwolke, $26$ um regnen zu lassen auf ein Land ohne
- Menschen, auf die Wüste, in der kein Mensch ist, $27$ um zu
- sättigen die Öde und Verödung und um hervorsprieβen zu lassen
- die Triebe des frischen Grases?
-
- $28$ Hat der Regen einen Vater, oder wer hat die Tautropfen
- gezeugt? $29$ Aus wessen Schoβ kam das Eis hervor, und des
- Himmels Reif, wer hat ihn geboren, $30$ wenn sich das Wasser
- wie in einem Stein versteckt hält und die Fläche der Tiefe fest
- gefügt ist?
-
- $31$ Knüpfst du die Bänder des Siebengestirns, oder löst du
- die Fesseln des Orion? $32$ Kannst du die Tierkreisbilder
- hervortreten lassen zu ihrer Zeit und den Groβen Bären leiten
- samt seinen Jungen? $33$ Hast du die Ordnungen des Himmels
- erkannt, oder bestimmst du seine Herrschaft auf der Erde?
-
- $34$ Erhebst du deine Stimme zum Gewölk, so daβ der Schwall
- des Wassers dich bedeckt? $35$ Entsendest du Blitze, so daβ
- sie hinfahren und zu dir sagen: Hier sind wir? $36$ Wer hat
- Weisheit in den Ibis gelegt, oder wer hat dem Hahn Verstand
- gegeben? $37$ Wer kann in Weisheit die Wolken zählen, und die
- Krüge des Himmels - wer kippt sie um, $38$ wenn das Erdreich
- hart wird wie gegossenes Metall und die Schollen
- aneinanderkleben?
-
- $39$ Erjagst du für die Löwin die Beute, und stillst du die
- Gier der jungen Löwen, $40$ wenn sie sich auf [ihren] Lagern
- ducken, im Dickicht auf der Lauer sitzen? $41$ Wer stellt dem
- Raben sein Futter bereit, wenn seine Jungen zu Gott schreien,
- umherirren ohne Nahrung?
-
- \39\
-
- $1$ Kennst du die Wurfzeit der Steinböcke? Beobachtest du das
- Kreiβen der Hirschkühe? $2$ Zählst du die Monate, die sie
- erfüllen müssen, und kennst du die Zeit ihres Werfens? $3$
- Sie kauern sich, lassen ihre Jungen durchbrechen, entledigen
- sich ihrer Wehen. $4$ Ihre Kinder werden stark, wachsen auf
- im Freien; sie ziehen hinaus und kehren nicht [mehr] zu ihnen
- zurück.
-
- $5$ Wer hat den Wildesel frei laufen lassen, und wer hat die
- Fesseln des Wildlings gelöst, $6$ dem ich die Steppe zur
- Behausung machte und zu seiner Wohnung das salzige Land? $7$
- Er lacht über das Getümmel der Stadt, das Geschrei des Treibers
- hört er nicht. $8$ Was er auf den Bergen erspäht, ist seine
- Weide, und allem Grünen spürt er nach.
-
- $9$ Wird der Büffel dir dienen wollen, oder wird er an deiner
- Krippe übernachten? $10$ Hältst du den Büffel in der Furche
- an seinem Seil, oder wird er die Talgründe hinter dir her eggen?
- $11$ Traust du ihm, weil seine Kraft so groβ ist, und
- überläβt du ihm deine Arbeit? $12$ Kannst du dich auf ihn
- verlassen, daβ er dein Korn heimbringt und [das Getreide für]
- deine Tenne einsammelt?
-
- $13$ Munter schwingt sich der Flügel der Strauβenhenne - ist
- es die Schwinge des Storches oder des Falken? $14$ Denn sie
- überläβt ihre Eier der Erde und läβt sie auf dem Staub warm
- werden. $15$ Und sie vergiβt, daβ ein Fuβ sie zerdrücken und
- das Wild des Feldes sie zertreten kann. $16$ Sie behandelt
- ihre Jungen hart, als gehörten sie ihr nicht. War ihre Mühe
- umsonst, es erschüttert sie nicht. $17$ Denn Gott lieβ sie
- die Weisheit vergessen und gab ihr keinen Anteil an der
- Einsicht. $18$ Wenn sie dann aber in die Höhe schnellt, lacht
- sie über das Roβ und seinen Reiter.
-
- $19$ Gibst du dem Roβ die Kraft, bekleidest du seinen Hals
- mit einer Mähne? $20$ Bringst du es zum Springen wie die
- Heuschrecke? Schrecklich ist sein hoheitsvolles Schnauben.
- $21$ Es scharrt in der Ebene und freut sich an [seiner]
- Kraft; es zieht aus, den Waffen entgegen. $22$ Es lacht über
- die Furcht und erschrickt nicht und kehrt vor dem Schwert nicht
- um. $23$ Über ihm klirrt der Köcher, die Klinge von Speer und
- Krummschwert. $24$ Mit Ungestüm und Erregung schlürft es den
- Boden und läβt sich nicht halten, wenn das Horn ertönt. $25$
- Sooft das Horn erklingt, ruft es: Hui! Und [schon] von weitem
- wittert es die Schlacht, das Lärmen der Obersten und das
- Kriegsgeschrei.
-
- $26$ Schwingt sich kraft deiner Einsicht der Habicht empor,
- breitet seine Flügel aus für den Südwind? $27$ Oder erhebt
- sich auf deinen Befehl der Geier so hoch und baut in der Höhe
- sein Nest? $28$ Den Fels bewohnt er und horstet [dort] auf
- der Felsenzacke und der Bergfeste. $29$ Von dort aus erspäht
- er Nahrung, in die Ferne blicken seine Augen. $30$ Seine
- Jungen gieren nach Blut, und wo Erschlagene sind, da ist er.
-
- \40\
- Hiobs Antwort: Einsichtige Zurücknahme der Anklagen gegen Gott.
-
- $1$ Und der HERR antwortete dem Hiob und sprach:
-
- $2$ Mit dem Allmächtigen will der Tadler rechten? Der da Gott
- zurechtweist, er antworte darauf!
-
- $3$ Da antwortete Hiob dem HERRN und sagte:
-
- $4$ Siehe, zu gering bin ich! Was kann ich dir erwidern? Ich
- lege meine Hand auf meinen Mund. $5$ Einmal habe ich geredet,
- und ich will nicht [mehr] antworten; und zweimal, und ich will
- es nicht wieder tun.
-
- \40\
- Zweite Rede Gottes: Beweis der Macht Gottes durch Bestrafung der
- Hochmütigen - Seine Gewalt über den Behemot und den Leviatan.
-
- $6$ Und der HERR antwortete Hiob aus dem Sturm und sprach:
-
- $7$ Gürte doch wie ein Mann deine Lenden! Ich will dich
- fragen, und du sollst mich belehren! $8$ Willst du etwa mein
- Recht zerbrechen, mich für schuldig erklären, damit du gerecht
- dastehst? $9$ Oder hast du einen Arm wie Gott, und donnerst
- du mit einer Stimme wie er? $10$ Schmücke dich doch mit
- Erhabenheit und Hoheit, in Majestät und Pracht kleide dich!
- $11$ Streue die Ausbrüche deines Zornes umher und schau alles
- Hochmütige an und erniedrige es! $12$ Schau alles Hochmütige
- an, beuge es und tritt die Gottlosen nieder auf ihrer Stelle!
- $13$ Verbirg sie allesamt im Staub, banne sie selbst an einen
- verborgenen Ort! $14$ Dann werde auch ich dich preisen, weil
- deine Rechte dir zur Hilfe kommt.
-
- $15$ Sieh doch den Behemot, den ich mit dir gemacht habe!
- Gras friβt er wie das Rind. $16$ Sieh doch seine Kraft in
- seinen Lenden und seine Stärke in den Muskeln seines Bauches!
- $17$ Er läβt seinen Schwanz gleich einer Zeder hängen, die
- Sehnen seiner Schenkel sind [dicht] geflochten. $18$ Röhren
- aus Bronze sind seine Knochen und seine Gebeine wie Stangen aus
- Eisen. $19$ Er ist der Anfang der Wege Gottes. Der ihn
- gemacht, hat [ihm] sein Schwert beschafft. $20$ Denn die
- Berge bringen ihm Tribut, und alle Tiere des Feldes, die dort
- spielen. $21$ Unter Lotosbüschen lagert er im Versteck von
- Rohr und Sumpf. $22$ Die Lotosbüsche, sein Schatten, bedecken
- ihn; es umgeben ihn die Bachpappeln. $23$ Siehe, der Strom
- schwillt mächtig an - er hastet nicht davon. Er fühlt sich
- sicher, [selbst] wenn ein Jordan gegen sein Maul hervorbricht.
- $24$ [Wer] kann ihm in seine Augen greifen, ihm in der Falle
- die Nase durchbohren?
-
- $25$ Ziehst du den Leviatan mit der Angel herbei, und hältst
- du mit dem Seil seine Zunge nieder? $26$ Kannst du einen
- Binsenstrick durch seine Nase ziehen und mit einem Dorn seine
- Kinnlade durchbohren? $27$ Wird er dich lange anflehen oder
- dir schmeichelnde Worte geben? $28$ Wird er einen Bund mit
- dir schlieβen, daβ du ihn zum Knecht nimmst für ewig? $29$
- Willst du mit ihm spielen wie mit einem Vogel und ihn für deine
- Mädchen anbinden? $30$ Werden die Handelsgenossen um ihn
- feilschen, ihn verteilen unter die Kaufleute? $31$ Kannst du
- seine Haut mit Spieβen spicken und seinen Kopf mit der
- Fischharpune? $32$ Lege nur deine Hand an ihn! Denk an den
- Kampf! Du wirst es nicht noch einmal tun!
-
- \41\
-
- $1$ Siehe, die Hoffnung auf ihn erweist sich als trügerisch.
- Wird man nicht schon bei seinem Anblick niedergeworfen? $2$
- Niemand ist so tollkühn, daβ er ihn aufreizte. - Und wer ist es,
- der vor mir bestehen könnte? $3$ Wer hat mir zuvor gegeben,
- daβ ich ihm vergelten sollte? [Was] unter dem ganzen Himmel
- [ist], mir gehört es!
-
- $4$ Nicht schweigen will ich von seinen Gliedern und von
- seiner Kraftfülle und von der Schönheit seines Baues. $5$ Wer
- deckte die Oberseite seines Gewandes auf? In sein Doppelgebiβ,
- wer dringt da hinein? $6$ Wer öffnete die Türflügel seines
- Gesichts? Rings um seine Zähne [lauert] Schrecken. $7$ Ein
- Stolz sind die Schuppenreihen, verschlossen und fest versiegelt.
- $8$ Eins fügt sich ans andere, und kein Hauch dringt
- dazwischen, $9$ eins haftet am andern, sie greifen ineinander
- und trennen sich nicht. $10$ Sein Niesen strahlt Licht aus,
- und seine Augen sind wie die Wimpern der Morgenröte. $11$ Aus
- seinem Rachen schieβen Fackeln, sprühen feurige Funken hervor.
- $12$ Aus seinen Nüstern fährt Rauch wie aus einem angefachten
- und glühenden Kochtopf. $13$ Sein Atem entzündet Kohlen, und
- eine Flamme fährt aus seinem Rachen. $14$ In seinem Hals
- wohnt Stärke, und vor ihm hüpft die Angst her. $15$ Die
- Wampen seines Fleisches haften zusammen, sind ihm fest
- angegossen, unbeweglich. $16$ Sein Herz ist fest wie Stein
- und fest wie der untere Mühlstein. $17$ Vor seinem Erheben
- fürchten sich Machthaber, vor Bestürzung ziehen sie sich zurück.
- $18$ Trifft man ihn mit dem Schwert, es hält nicht stand,
- noch Speer, noch Wurfspieβ oder Harpune. $19$ Er hält Eisen
- für Stroh [und] Kupfer für faules Holz. $20$ Der Pfeil kann
- ihn nicht vertreiben, Schleudersteine verwandeln sich für ihn in
- Stoppeln. $21$ Wie Stoppeln gilt ihm die Keule, und er lacht
- über den Aufprall des Krummschwertes. $22$ Unter ihm sind
- Scherbenspitzen, auf dem Schlamm breitet er einen
- Dreschschlitten aus. $23$ Er bringt die Meerestiefe zum
- Sieden wie einen Kochtopf, macht das Meer wie einen Salbentopf.
- $24$ Hinter sich läβt er den Pfad hell werden, man hält die
- Tiefe für graues Haar. $25$ Auf Erden ist keiner ihm gleich,
- ihm, der zur Unerschrockenheit geschaffen ist. $26$ Auf alles
- Hohe blickt er [herab]; er ist König über alles stolze Wild.
-
- \42\
- Hiobs Antwort: Anerkenntnis der Gröβe Gottes und buβfertiger
- Widerruf seiner Anklagen.
-
- $1$ Und Hiob antwortete dem HERRN und sagte:
-
- $2$ Ich habe erkannt, daβ du alles vermagst und kein Plan für
- dich unausführbar ist. $3$ `Wer ist es, der den Ratschluβ
- verhüllt ohne Erkenntnis?' So habe ich denn [meine Meinung]
- mitgeteilt und verstand [doch] nichts, Dinge, die zu wunderbar
- für mich sind und die ich nicht kannte. $4$ Höre doch, und
- ich will reden! Ich will dich fragen, und du sollst es mich
- wissen lassen! $5$ Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört,
- jetzt aber hat mein Auge dich gesehen. $6$ Darum verwerfe ich
- [mein Geschwätz] und bereue in Staub und Asche.
-
- \42\
- Verurteilung und Begnadigung der Freunde Hiobs - Hiobs
- Rechtfertigung.
-
- $7$ Und es geschah, nachdem der HERR jene Worte zu Hiob
- geredet hatte, da sprach der HERR zu Elifas, dem Temaniter: Mein
- Zorn ist entbrannt gegen dich und gegen deine beiden Freunde:
- Denn ihr habt über mich nicht Wahres geredet wie mein Knecht
- Hiob. $8$ Und nun nehmt euch sieben Jungstiere und sieben
- Widder und geht zu meinem Knecht Hiob und opfert ein Brandopfer
- für euch! Und Hiob, mein Knecht, soll für euch Fürbitte tun. Nur
- ihn will ich annehmen, damit ich euch nicht Schimpfliches antue.
- Denn ihr habt über mich nicht Wahres geredet, wie mein Knecht
- Hiob.
-
- $9$ Da gingen Elifas, der Temaniter, und Bildad, der
- Schuchiter, [und] Zofar, der Naamatiter, hin und taten es, wie
- der HERR zu ihnen geredet hatte. Und der HERR nahm Hiob an.
-
- \42\
- Gottes Segen über Hiob.
-
- $10$ Und der HERR wendete das Geschick Hiobs, als der für
- seine Freunde Fürbitte tat. Und der HERR vermehrte alles, was
- Hiob gehabt hatte, auf das Doppelte. $11$ Da kamen zu ihm all
- seine Brüder und all seine Schwestern und alle, die ihn früher
- gekannt hatten. Und sie aβen mit ihm Brot in seinem Haus, und
- sie bekundeten ihm ihre Teilnahme und trösteten ihn wegen all
- des Unglücks, das der HERR über ihn gebracht hatte. Und sie
- gaben ihm jeder eine Kesita und jeder einen goldenen Ring.
- $12$ Und der HERR segnete das Ende Hiobs mehr als seinen
- Anfang. Und er bekam vierzehntausend Schafe und sechstausend
- Kamele und tausend Gespanne Rinder und tausend Eselinnen.
- $13$ Und es wurden ihm sieben Söhne und drei Töchter
- [geboren]. $14$ Und er gab der ersten den Namen Jemima und
- der zweiten den Namen Kezia und der dritten den Namen
- Keren-Happuch. $15$ Und so schöne Frauen wie die Töchter
- Hiobs fand man im ganzen Land nicht. Und ihr Vater gab ihnen ein
- Erbteil mitten unter ihren Brüdern.
-
- $16$ Und Hiob lebte nach diesen [Ereignissen noch] 140 Jahre.
- Und er sah seine Kinder und seine Kindeskinder, vier
- Generationen. $17$ Und Hiob starb, alt und der Tage satt.
-